Was schlechte Krimis angeht, habe ich längst noch nicht alles gesehen, beziehungsweise gelesen. Besonders deutlich wird mir das gerade bei „Ihr werdet büßen!“ von Renate Mantern.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Das ist kein Krimi, sondern eine einzige Zumutung. Das fängt bei diesem Buch aus einem „Ihr-wisst-schon-von-wen-ich-rede“-Verlage bereits beim Textsatz an. Einfach so aus der Word-Datei abgedruckt, könnte man meinen. So was tut den Augen weh und strengt beim lesen an – schlecht, wenn der Inhalt auch keine Linderung bringt.
Fangen wir aber harmlos an, mit der Kurzbeschreibung:
Im beschaulichen Kurstädchen Bad Kreuznach und Umgebung werden mehrere brutale, mysteriöse Morde an älteren Männer verübt. Kommissar Olaf Frenzen und seine Team tappen zunächst im Dunkeln.
Stop. Hatte ich gerade geschrieben, dass wir harmlos anfangen? Gut, das war gelogen. Allein diese zwei Sätze der Beschreibung reichen vermutlich aus, um vor allem Eines nicht zu machen: die Lust auf das Buch zu wecken. Warum müssen Polizisten eigentlich immer im Dunklen tappen? Völlig daneben, so ein Behauptung. Nicht mal ein Bäcker hat frische Brötchen, wenn er morgens in die Backstube kommt. Es ist nämlich seine Aufgabe, diese zu backen. Aufgabe der Ermittler ist es, die Fakten zusammen zutragen und mittels Ausschlussverfahren – lassen wir das an dieser Stelle, das würde sonst ausarten. Schauen wir uns lieber noch mal den ersten Satz an. „Im beschaulichen Kurstädchen Bad Kreuznach“. Das ist sprachlich unerträglich. So was kann man vielleicht mal auf eine Grußkarte ans Kaffeekränzchen schreiben, aber bitte nicht auf die Rückseite eines Buches.
Normalerweise wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass Buch wieder zurück zulegen und es nicht zu kaufen. Vor allem nicht für den stolzen Preis von 17,90 Euro (Softvcover). Diese Entscheidung wurde mir aber abgenommen, ich habe es zum lesen zugeschickt bekommen. Was mich motiviert, diese Werk überhaupt zu lesen, ist das reine Vergnügen, darüber im Blog so richtig herziehen zu können – gut, das war jetzt sehr gemein und direkt, also nehmen wir einfach mal an, ich hätte versprochen, „Ihr werdet büßen!“ bis zum bitteren Enden zu lesen.
Weit bin ich bisher noch nicht gekommen, gerade mal zum Anfang des zweiten Kapitels. Schuld daran sind so wundervolle Sätze wie diese, mit denen das erste Kapitel anfängt (den missratenen Prolog lassen wir mal gnädig unter den Tisch fallen):
Es war fünf Uhr fünfzig morgens, die Tageszeit, die er am meisten schätzte. Es herrschte völlige Ruhe, und er fühlte sich durch niemanden und nichts gestört. Kein noch so schwaches Geräusch beeinträchtigte ihn in seiner Muße.
Wozu gibt es eigentlich Schreibratgeber? Kann man da nicht mal vorher zumindest einen Blick reinwerfen, bevor man so was einem Leser zumutet? Ich hab schon viele Romananfänge gelesen in meinem bisherigen Leben, aber das ist der mit Abstand schlechteste. Das ist nicht mal Groschenroman-Niveau. Eigentlich sollte ich das zurück nehmen, denn damit würde ich den Autoren von Heftromanen bitteres Unrecht tun. Die verstehen nicht nur ihr Handwerk, sonder habe harten Job.
Was sich wie eine ansteckende Krankheit durch den ganzen Text zieht, sind verschachtelte Sätze, Sprachungetüme, die so hölzern sind, dass sich jeder Baum im Vergleich dazu nackt vorkommt.
Hinzu kommen dann auch noch logische Fehler, die einen komplett aus der Handlung werfen. So arbeitet der Kommissar noch bis spät Abend am Tag des Mordes im Präsidium (Kapitel 1). Es ist ein Samstag (laut Kapitelüberschrift). Das er bevor er nach Hause fährt, noch einkaufen geht, steht nirgends. Dann Kapitel zwei mit der Überschrift „Sonntag, 16. August“. Aha, denkt sich der Leser, der nächste Tag:
Kriminalhauptkommissar Olaf Frenzen traf, wie angekündigt, am späten Vormittag bei Margot Maranz ein. Er war, nach einem langen und aufreibenden Nachmittag am Tatort, noch im Präsidium vorbeigefahren, hatte zwei Tassen Kaffee getrunken und sich an den Schreibtisch gesetzt.
Was ist daran jetzt alles Falsch? Wo tappt die Autorin im Dunklen? Zunächst einmal ist Frenzen nicht am Präsidium vorbeigefahren, sondern hat sich dort absetzen lassen und zwar am Samstag. Die misslungene Rückblende im zweiten Satz bezieht sich darauf. Die beiden Zeitangaben kollidieren miteinander, auch wenn das Plusquamperfekt im zweiten Satz korrekt verwendet wurde. Solche grammatische Feinheiten sind zwar löblich, stellen dem Leser, welcher einfach nur der Handlung folgen will, mitunter aber ein Bein. Vor allem dann, wenn es wenig später (immer noch am Samstag), dann munter im Präteritum weitergeht:
Frenzen machte sich einige Notizen und verließ das Präsidium gegen halb elf abends. Er fuhr nach Hause, duschte und machte sich etwas zu essen.
Entscheidend ist jetzt, was er sich zu essen macht:
Also: Rühreier mit Bacon, ein Baguette, unterwegs in der Bäckerei des Supermarktes gekauft und daher frisch und knusprig…
Wie bitte? Woher stammt denn das Baguette? Wann hat er es gekauft? Nach dem er das Präsidium verlassen hat? Wenn ja, warum wird das nicht vorher beschrieben? Da Frenzen um 22:30 Uhr nach Hause fährt, stellt sich auch die Frage, ob um die Uhrzeit in Bad Kreuznach überhaupt noch ein Supermarkt auf hat. Selbst wenn, dann hat die Bäckerei mit Sicherheit kein Baguette mehr. Sollte er das Baguette vor der Fahrt zum Fundort der Leiche gekauft haben, wäre es mit Sicherheit nicht mehr frisch und knusprig – ich kenne das Stangenweißbrot aus dem Supermarkt einfach zu gut, um das zu glauben.
Schauen wir uns, sobald der Puls etwas langsamer geworden ist, an, wie es weiter geht. Frenzen fährt zur Frau des Ermordeten am späten Sonntag Vormittag. Die ist in Anbetracht der Umständen erstaunlich ruhig:
„Ihr Bemühen ehrt Sie“, erwiderte Margot Manzen. „Und Sie haben recht: Eine solche Situation übertrifft jedes Vorstellungsvermögen. Aber ich werde nach Kräften versuchen, Ihre Fragen zu beantworten. Und Sie werden doch sicher eine ganze Menge Fragen haben.
Das ist ist völlig frei von den zu erwartenden Emotionen in der Situation, fügt sich aber in das Schema der Autorin, konsequent unglaubwürdige Dialoge geschrieben zu haben. Der arme Polizist Frenzen verlässt die Frau gegen 16 Uhr. Damit war er rund sieben Stunden bei ihr. Liebe Frau Mantern, ist ihn eigentlich aufgefallen, was für einen Blödsinn Sie da geschrieben haben? Eine siebenstündige Vernehmung?
Das manche Autoren dafür zahlen, veröffentlicht zu werden, ist eine Sache. Es gibt wirklich Bücher, die aus unerklärlichen Gründen keinen Verlag finden, obwohl es hervorragende Krimis sind. Und es gibt Bücher wie diese. Eigentlich müsste die Autorin auch die Leser dafür bezahlen, dass sie ihr Buch lesen. Eine Art Schmerzensgeld. Angebracht wäre das auf jeden Fall.