Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat also gestern gewählt. Landtagswahlen mit interessantem Ausgang. In beiden Bundesländern gab es eine deutlichen Wahlsieger, die Grünen.

Wenn die SPD nicht politischen Selbstmord begehen will, wird sie als Juniorpartner mit den Grünen in Baden-Württemberg eine Regierung bilden. Somit würde zum ersten Mal ein Grüner Ministerpräsident. Ein respektables Ergebnis für die Grünen. Der bisherige Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, muss sich nach einem Stimmenverlust von fast 10 Prozent auch daran gewöhnen, künftig in einer Koalition mit den Grünen zu regieren.

Den Erfolg der Grünen kann man wenn überhaupt nur zu geringen Teilen mit der Naturkatastrophe und den daraus entstandenen schwerwiegenden Atomkraftwerksunfälle in Japan erklären. Einzig der Stuttgart 21 „Bonus“ in Baden-Württemberg dürfte sich ein Multiplikator für eine sich abzeichnende Grundstimmung in der Bevölkerung gewesen sein.

Wer die Wahlergebnisse genau betrachtet, sieht SPD zunehmen unter der Marke von 40 Prozent in ihren Stammländern. In anderen Bundesländern liegt die SPD sogar deutlich darunter. So erzielte sie gestern in wie Baden-Württemberg lediglich 24,2 Prozent. Die allerdings CDU kann von der Abwanderung der Wählerinnen und Wähler ebenso wenig profitieren wie die FDP. Gerade in Bezug auf die FDP fällt auf, dass die Grünen etwas geschafft haben, was den Liberalen so nie gelungen ist – der Wandel von einer reinen Klientelpartei zu etwas Neuem.

Dabei lässt sich dieses Neue nicht unbedingt als „Volkspartei“ bezeichnen, denn dafür decken die Grünen noch nicht das breite gesellschaftliche Spektrum ab, was früher mal typisches Merkmal einer Volkspartei galt. CDU und SPD verstehen sich noch immer als eine solche, wobei es fraglich ist, ob sie das tatsächlich noch sind.

Viel wahrscheinlicher scheint es zu sein, dass sich die Parteienlandschaft in der Bundesrepublik mittlerweile verändert hat. Künftig wird es aller Wahrscheinlichkeit drei größere Parteien geben, flankiert von zwei kleineren Parteien (FDP und Linkspartei). Mit dieser Situation müssen Politiker lernen umzugehen. Vor allem aber müssen sie erkenne, was die Bürgerinnen und Bürger ihnen da mit auf dem Weg geben. Zugegeben, die Botschaft ist nicht leicht zu erkennen und mitunter neigt man auch, geblendet durch eigene Arroganz, dazu, denn Willen des Wählers mit reinem Protest zu verwechseln.

Was aber will der Wähler? Die Frage ist bereits der falsche Ansatz. Vielmehr müsste man sich fragen, was er nicht mehr will. Er will vor allem nicht mehr belogen werden. Er hat (zumindest in der Mehrheit) erkannt, dass die Lösungsstrategien von früher nicht in die heutige Zeit passen. Das sich komplexe Zusammenhänge eine andere Form der Politik verlangen. Der Ausdruck dieser Erkenntnis ist das Kreuz auf dem Stimmzettel an einer anderen Stelle als sonst – viel Mühe kostet das nicht. Zu hoffen bleibt, dass den Wählerinnen und Wähler auch klar wird, welche Konsequenzen ihre Entscheidung hat. Das ein Politikwechsel immer auch Einschnitte nach sich zieht. Einschnitte, die einen selber betreffen können. Ebenso wie sich Politik ändern wird und muss, ist es auch erforderlich, dass die Menschen in diesem Land nicht ihr eigener Mut verlässt. Nur ein Kreuz zu machen reicht nicht aus.

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