Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Auch wenn in diesem Jahr die lit.cologne zum 11. Mal stattfindet, so war es gestern mein erstes Mal. Den Anfang bei insgesamt drei Veranstaltungen, di zu besuchen ich eingeplant hatte, machte eine Lesung von Stephen Kelman.

Der 34-jährigen sollte aus seinem Buch „Pigeon English“ lesen. Dacht eich zumindest. Der größte Teil des Abends wurde vom Moderator Stephen Kelman und einem Schauspieler (Schauspiel Köln), der aus der deutschen Übersetzung vorlas, bestritten. Kelman selber las nur ein Stück vom Buchanfang, beantwortete geduldig die Fragen des Moderators und lass dann gegen Ende der Veranstaltung noch etwas vom Schluss des Buches vor, was dann noch mal auf deutsch gelesen wurde.

Wie betont, es war meine erste Veranstaltung bei der lit.cologne, daher kann ich nicht sagen, ob das so üblich ist. Sicher, die Fragen und Antworten waren interessant, gerade wenn man selber schreibt, ist es faszinierend, andere Autoren zu erleben, die noch am Anfang ihrer Kariere stehen (Pigeon English ist das erste Buch von Kelman). Ich hätte mir aber gewünscht, wesentlich mehr von Kelman vorgelesen zu bekommen.

Die Geschichte des 11 (gestern Abend wurde immer von 11 Jahren gesprochen, aber in den internationalen Rezession liesst man 12)-jährigen Harri Opoku, der mit einem Teil seiner aus Ghana stammenden Familie in einer Sozialbausiedlung vor London wohnt, ist durchaus spannend. Im Vordergrund steht der Mord an einem Nachbarjungen, den Harri zusammen mit seinem Freund versucht aufzuklären. Harri zu Seite steht dabei noch eine sprechenden Taube – der englische Begriff für Taube lautet pigeon, sie taucht also auch bereits im Titel auf. Pigeon wird zudem im englischen ausgesprochen wie pidgin was eine Bezug zu Pidgin English, einer rudimentäre Version des Englischen als Handelssprache herstellen soll.

Während ich dem Teil, der in Englisch vorgelesen wurde, noch gut folgen konnte, gelang mir das nicht so recht bei der deutschen Übersetzung. Meiner Meinung nach ist diese sprachlich nicht gut gelungen. Dinge, die in der Englischen Fassung wichtige Anspielungen enthalten, werden nicht korrekt übersetzt. Ein Beispiel. Am Anfang des Buches heisst es in der englischen Originalfassung:

POLICE LINE DO NOT CROSS
If your cross the line, you’ll turn to dust.

In der deutschen Übersetzung wird daraus:

POLIZEI-SPERRZONE

Wenn du einen Fuß in die Sperrzone setzt, zerfällst du zu Staub.

In Deutschland steht auf den Absperrbändern in der Regel „POLIZEIABSPERRUNG“, eher seltener „POLIZEI-SPERRZONE“, aber darauf kommt es nicht an. Wesentlich wichtiger ist der Begriff „line“. Eine Linie überschreiten, eine Linie nicht überschreiten dürfen, dass hat auch im Deutschen eine nicht unwesentliche Bedeutung. Daraus eine Sperrzone zu machen, ist sträflich. Allerdings weiss ich nicht, ob man für schlechte Übersetzungen zu Staub zerfällt.

Stephen Kelman kann man die Übersetzung freilich nicht anlasten. Was aber ihn seiner Verantwortung lag, ist der Drehbuchartige Aufbau der Dialoge (man merkt, dass er vorher Drehbücher geschrieben hat):

Ich:
Jordan:

So geht das die ganze Zeit, wenn auch mit anderen Personen. Was einem beim selber lesen wohlmöglich nicht so auffällt, stört extrem, wenn man es in der Fassung vorgelesen bekommt. Der Text verliert dadurch seinen Rhythmus. Einem guten Lektor hätte so was auffallen müssen, denn so verliert das Buch deutlich an Charme. Schade eigentlich.

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