Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wer schreibt, kenn auch das Problem mit den so genannten Schreibblockaden. Egal wie intensiv man sich auch bemüht, es will einem einfach nichts einfallen. Es scheint sogar so zu sein, dass gerade die Intensivierung der Bemühung die Blockade noch verstärken.

Wie sich Schreibblockaden überwinden lassen, dazu gibt es mittlerweile zahlreiche Tipps, Ratgeber, Seminare und wer weis was noch alles. Allein das lesen alle Empfehlungen kann einen weiter in runter ziehen, statt aufzubauen. Warum wirkt das nicht bei mir, warum fällt trotz Tipp XYZ immer noch nichts ein? Wieso ist meine mind map immer noch nicht leer? Meiner Meinung nach braucht man eine persönliche Strategie, wie man mit seiner eigenen Schreibblockade umgeht. Patentrezepte funktionieren in der Regel sehr selten. Daher kann ich hier auch keines geben, aber ich kann zumindest beschreiben, wie ich selber versuche, den Knoten im Kopf zu lösen.

Seit über sieben Jahren veröffentliche ich Einträge auf dieser Seite. Was sporadisch angefangen hat, wurde bald zu einer täglichen Aufgabe. Jeden Tag etwas zu schreiben ist dabei etwas anderes als jeden Tag einen Eintrag zu präsentieren, denn ein Eintrag kann manchmal auch nur ein Bild oder Video sein. Selbst wenn man schreibt, müssen dass nicht mehr als zwei drei Sätze sein. Sich darauf zu konzentrieren, wirklich täglich ein bestimmtes Pensum von sagen wir mal 400 Wörter zu schreiben, der steht vor einer wirklichen Herausforderung. Disziplin führt zu Druck und Druck kann dazu führen, dass sich eine Blockade aufbaut.

In den letzten Jahren gab es so manchen Tag, an dem mir morgens nichts eingefallen ist. Wer den Satz jetzt noch mal liesst, wird darin neben dem Eingeständnis, dass mir manchmal eine Idee fehlt, noch was anderes entdecken, nämlich die Zeitangabe. Bei mir hat sich das unter der Woche einfach aus beruflichen Gründen ergeben, dass ich auf dem Weg zur Arbeit im Zug meine Texte schreibe. An anderen Tagen entstehen die Texte dann zu fast jeder Tageszeit, manchmal sogar nachts. Mit Schreibblockaden hat das zumindest bei mir nichts zu tun, auch nicht mit Disziplinierung. Ich halte auch nicht viel von Tipps, immer zu einer ganz bestimmten Tageszeit zu schreiben, weil das aus meiner Sicht ein Weg ist, der Schreibblockaden gradezu provoziert. Wer sich ein bestimmtes tägliches Pensum vornimmt, hat bereits einen bestimmten Druck, den nicht noch zusätzlich vergrößern muss.

Kommen wir aber wieder zurück zu meiner „Methode” mit Schreibblockaden umzugehen. Wenn mein Kopf nicht all zu leer ist, fang ich einfach mit einem Satz an, so wie er mir gerade einfällt. Dabei bleibt der innere Kritiker ausgesperrt. Sobald dieser eine Satz steht, wirkt er für mich wie eine Brücke, um den Rest des nun nicht mehr ganz leeren Blattes zu überwinden. Oft ist es so, dass hinterher dieser eine Satz entweder völlig verschwindet oder aber mehrfach umgeschrieben wird. So nett sich das vielleicht anhört, bei einer totalen Blockade nützt das wenig. Denn wo kein erster Satz steht, kann es auch keine Brücke geben. Mir hilft es dann, den Kopf frei zu bekommen. Das geht auf unterschiedliche Weise, wie mit viel Tee oder ausreichend frischer Luft oder durch „Stille Post mit sich selber und einer Zeitung”. Dazu nehme ich mir die Titelseite der Tageszeitung (bei mir ist es die Süddeutsche Zeitung) und reiße Überschriften aus ihrem Zusammenhang. Besonders gerne nehme ich dabei auch Satzstücke aus der Spalte „Heute in der SZ”. Für heute wären das folgende Bausteine:

  • Luftfracht
  • Bund plant Super-Polizei
  • Kleine Entlastung
  • Schwarz-gelbe Koalition vereinfach das Steuerrecht
  • Arbeit in Deutschland wird billiger
  • Entscheidender Tag der Klimakonferenz
  • Im Südosten der Türkei graben deutsche Archäologen die älteste Kultanlage der Welt aus
  • Die FDP braucht zehn Tage, um die „Maulwurf“-Affäre zu lösen
  • Warum die Heimkinder entschädigt werden sollten

Das liest sich völlig willkürlich, und genauso soll es auch erstmal sein. Aus diesen Teilen kann man etwas machen, man muss sie nur als Farbe nehmen, und damit ein neues Bild malen. Eine Lockerungsübung:

Luftfracht
Statt weiterhin Heimkinder als billige Arbeitskräfte zu nutzen, plant die schwarz-gelbe Koalition den Einsatz eines Super-Maulwurfes bei künftigen Ausgrabungen. Am Tag der Entscheidung sprach die FDP davon, dass es trotzdem innerhalb der nächsten zehn Tage zu keinen Entlassungen kommen wird. Das vom Bund geplante neue Steuerrecht sieht zudem großzügige Entschädigungen für Klimasünder vor, die auf Wunsch auch in den Südosten der Türkei abgeschoben werden können.

Das Schöne dabei ist, dass diese Methode sich auch immer wieder mit den selben Bausteinen anwenden lässt, so dass mit jedem neuen Durchlauf auch neue Bilder entstehen:

Kultanlage
Entschädigte Heimkinder sind als Luftfracht zehn Tage unterwegs, wenn sie rechtzeitig im Südosten der Türkei abgeschickt werden. Klimaneutral dagegen ist es, wenn man sie über FDP mit Hilfe eines Maulwurfs transportiert lässt. Allerdings verstößt dies gegen das Steuerrecht, über dessen Einhaltung künftig die geplante Super-Polizei wacht.

Das ist bei weitem keine Weltliteratur, aber so was macht nicht nur meinen Kopf frei, sondern auch noch Spaß, der sich gerade aus dem Absurden des Beschrieben ergibt. Ob einem selber diese Art und Weise des Umgangs mit Schreibblockaden liegt, kann man schnell feststellen, in dem man die Stichörter aus der SZ nimmt und selber was draus entwickelt.

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