Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Unfall von Samuel Koch in der ZDF-Sendung „Wetten, dass..?“ war nicht zu erwarten gewesen. Die Verantwortlich, davon kann man ausgehen, haben nicht fahrlässig gehandelt, als sie diese Wette zuließen.

Dagegen musste jeder, der sich mit der deutschen Mentalität nur ein Wenig auskennt, mit der Hinterherkritik rechnen. Wenn es zu einem Unfall, zu einer Katastrophe in diesem Land kommt, haben es alle immer besser gewusst. „Es war absehbar, dass so was passiert“ oder „der Druck der Quote sei einfach zu groß gewesen“; solcherlei hört und ließt man dann. Eine Schublade darüber lag in den Redaktion vermutlich schon der Text über die wirklich gelungene Sendung mit spannenden Wetten, der aber diesmal nicht erscheinen durfte, erscheinen konnte.

Von Thomas Gottschalk kann man halten, was man will. Ihm aber Verantwortungslosigkeit zu unterstellen, ist mehr als nur unfair. Wer seiner Sendung nichts oder nichts mehr abgewinnen kann, sollte das außerhalb der aktuellen Diskussion anbringen. Den Unfall zum Anlass nehmen, um seine so genannte Kritik zu äußern, ist das billige Versteckspiel hinter einem Vorwand. Niemand braucht das, ebensowenig hilft es dem Schwerverletzten.

Besser wissen heißt nicht besser können. Wenn die Show tatsächlich immer riskanter geworden ist, dann war das ein kontinuierlicher Prozess, der sich mit Sicherheit beobachten ließe. Wer sich vor dem Unfall also nicht geäussert hat, handelte fahrlässig. Oder war das Schweigen nur der Tatsache geschuldet, dass man keine Alternative zu „Wetten, dass..?“ wusste? So schrecklich kann das, was Thomas Gottschalk mit der Sendung geboten hat, nicht gewesen sein, sonst hätte die Programmdirektoren das Format schon längst im Schrank verschwinden lassen.

Jetzt über das Ende der Sendung zu sprechen, ist der falsche Zeitpunkt. Auch deshalb der falsche Zeitpunkt, weil in dieser Hinterherkritik die Gehässigkeit mitschwingt. Das Unfall-Opfer sei doch selber Schuld, schließlich habe es sich ganz freiwillig der Gefahr ausgesetzt. Auch dies hat Tradition in Deutschland; dem Opfer die Schuld geben.

Das Samuel Koch möglicherweise dauerhaft gelähmt bleiben wird, ist schlimm. Ihn hilft es nicht, über Sinn und Zweck der Sendung zu diskutieren. Wenn wir wirklich über etwas nach den vergangenen Samstag reden wollen, dann gibt es nur zwei Dinge. Zum einen, wie man Herrn Koch helfen kann. Zum anderen, warum wir immer wieder hinter her alles besser gewusst haben wollen. Diese grausame Rechthaberei ist alles andere als Konstruktiv. Sie ist das Ergötzen an den vermeintlichen Fehlern anderer. Statt einer unredlichen Objektivität sollte man daher lieber das zum Ausdruck bringen, was einem schon immer an „Wetten, dass..?“ gestört hat. Anständige Menschen werden erkennen, dass der richtige Zeitpunkt dafür nach der nächsten Sendung im Feburar liegt. Egal wie man zu Gottschalk steht, er hätte zumindest eine zweite Chance verdient. Wobei es auch durchaus zulässig ist der Meinung zu sein, es sei keine zweite Chance, denn solche kann es nur geben, wenn man Fehler gemacht hat. In Bezug auf die Sicherheit haben die Verantwortliche hinter „Wetten, dass..?“ wohl sorgfältig wie immer gehandelt. Der Geist dieser Sorgfalt und Verantwortung jedenfalls spricht auch aus der Entscheidung, die Sendung trotz prominenter Gäste abzubrechen.

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