Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Es sind nicht immer Kometen die unser Leben verändern, uns aufwecken, sondern meist das, was unseren Mitmenschen widerfährt. Man selber merkt, wie zerbrechlich dass eigene Leben ist. Dieses Bewusstsein über die eigene Sterblichkeit nimmt mit zunehmenden Alter zu.

Die meisten jungen Menschen dürften sich zwar nicht für unsterblich halten, aber bei ihnen ist der Tod weit weg – gerade in einer Gesellschaft, wo die Sterbenden „wegeschlossen” werden.

Wird man älter, wird man nicht nur sensibler, sondern die gefühlten Einschläge nehmen auch zu. Einschläge, dass sind die Todesfälle und schweren Krankheiten im eigenen Umfeld. Im Freundes- und Bekanntenkreis. Manchmal reicht schon das aus, was einem Mitreisenden passiert ist, um zu fühlen, wie die Einschläge näher kommen.

Gestern war so ein Tag, an dem mir noch lange im Kopf das nachhalte, was mir eine Frau erzählt hatte. Diese Frau fährt dreimal in der Woche von Hannover nach Essen. Sie hat ein knapp ein Jahr altes Kind und einen Mann, der beruflich sehr stark eingespannt ist. Ich würde die Frau und ihren Mann, auch wenn ich ihn nicht kenne, auf mein Alter schätzen. Über Weihnachten ist ihre Mutter ins Krankenhaus eingeliefert worden. Krebs. Unheilbar, lautet die Diagnose,

Ein Schicksalsschlag. Der nächste traf sie dann letzte Woche. Ihr Mann erlitt seinen zweiten Herzinfarkt. Diese Woche soll er wohl wieder auf eigene Verantwortung entlassen werden.

Der zweite Herzinfarkt. Mit 39. Bei ihrem Mann, so habe ich es herausgehört, ist es wohl der berufliche Stress gewesen. Stress entsteht aber nicht nur im Beruf. Oft ist es einfach so, dass wir uns zu viel zumuten, zu große Bündel schnüren, die wir unmöglich alleine durch den Alltag schleppen können.

Für mich war es gestern ein Hinweis. Ein Hinweis, genau zu überlegen, was ich dieses Jahr machen, erreichen möchte. Wie wichtig sind große Ziele? Reicht nicht manchmal Gesundheit und Zufriedenheit aus?

Bei der Zufriedenheit aber liegt das Problem. Sie ist schwer greifbar und für jeden anders zu erreichen. Der eine ist schon zufrieden, wenn er mit einer guten Tasse Tee in der warmen Herbstsonne sitzt. Ein anderer ist erst zufrieden, wenn er seine gesamte verfügbare Zeit so verplant hat, dass er ständig gefordert wird. Für das, was Zufriedenheit ausmachen kann, finden sich viele Beispiele. Klar ist auch, dass Unzufriedenheit zu Lasten unserer Gesundheit geht, uns wie ein Krebs von innen auffrisst.

Die Einschläge führen zu einem Moment des Innehaltens, des bewusst werdens. Ich für meinen Teil werde mir gut überlegen, wie ich die Wochenenden gestalte. Besser nicht vollpacken, auch mal nein sagen, denn sie sollen in erster Linie der Erholung dienen.

Ein Ziel wäre, bei jedem Einschlag sagen zu können: Wenn es mich trifft, ich hab mein Leben gelebt, nichts verschoben, was mir wichtig war. Nicht den Tag nutzen, sondern ihn genießen.

Eine Antwort

  1. Dafür sind die Einschläge da – um aufzuwecken. Wenn man Glück hat, überlebt man den Einschlag (ich hatte einen Herzinfarkt). Zufriedenheit ist vielgestaltig, aber mit etwas Innehalten und Überlegen, kommt man darauf, was für wichtig ist.

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