Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Eine der Gesichten, die ich in meiner Kindheit erzählt bekommen habe und an die ich mich noch sehr gut erinnere, ist die von einem Köhler im Schwarzwald, der sein Herz beim Holländer-Michel gegen einen Stein tauscht. Damit ist der Köhler zwar steinreich, hat aber keine Gefühle mehr (Das Herz aus Stein von Wilhelm Hauff).

An dieses Herz aus Stein und die fehlenden Gefühle musst eich gestern denken, als ich auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung den Artikel „Deutschland ganz unten” gelesen hatte. In ihm wird beschrieben, wie das Göttinger Sozialamt einem Bettler den Hartz-IV-Satz kürzte. Ein eifriger Sachbearbeiter hatte festgestellt, dass einer der Sozialhilfeempfänger mit einer Blechdose vor einem Supermarkt auf dem Boden sitzend bettelt. Nach dem der Sachbearbeiter zweimal den Inhalt der Dos in Augenschein genommen hatte, errechnete er ein Monatseinkommen von 120 Euro, die als zusätzliche Einkünfte zu werten seien. Mit der entsprechenden Begründung wurde dann dem Hartz-IV Empfänger die Unterstützung von 351 auf 231 Euro gekürzt.

Ich habe den Eindruck, dass man sich zutiefst schämen muss für ein Land, in dem Steuerbetrug im großen Stiel als Kaverliersdelikt angesehen wird, in dem sich Manager mit dunkler Vergangenheit mit 20 Millionen Euro Abfindung an den Gardasee zur Ruhe setzen, aber eine Verkäuferin für vermeintliche 1,30 Euro, die sie unterschlagen haben sollen, ihre Arbeit verliert. Ich hatte geglaubt, damit hätten wir schon den Tiefpunkt erreicht. Offensichtlich habe ich mich wohl getäuscht.

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