Unter der Überschrift „Wer soll ein Berliner sein?” brachte die Neue Westfälische heute eine Spezial über die beiden Kandidaten der SPD für das Bundestagsmandat, Nicolas Tsapos und Guntram Schneider. Bevor wird jetzt in die Kiste mit den billigen rethorischen Tricks greifen und anmerken, dass ja eigentlich jemand, der kein Bielefelder ist, erstrecht nicht zum Berliner werden sollte, schauen wir uns mal lieber an, wie sich Nico und Guntram schlagen, wenn ihnen die zehn Fragen der NW umd die Ohren fliegen.
Wer nur grob über den Artikel liesst, kommt zu einem sehr ausgewogenen Eindruck, denn inhaltlich liegen die in den Antworten präsentierten Positionen nicht auseinander. Es sind daher auch nicht die politischen Fragen, die entscheidend sind, sondern die Persönlichkeit des Kandidaten. Ich für meinen Teil bevorzuge jemanden, der über eine gehörige Portion Humor und Ironie verfügt:
Was können Sie schlechter als Ihr Konkurrent?
Vermutlich auf Kundgebungen reden.
Die Antwort, was kaum schwer zu erraten gewesen sein dürfte, von Nico. Guntram Schneider gab diesbezüglich nur von sich, dass „dies die Delegierten des SPD-Unterbezirksparteitages entscheiden” sollen.
Ich mag mich täuschen, aber viele Antworten von Schneider klingen sehr bemüht – im negativen Sinn:
Was ist Ihre Lieblingsstelle in Bielefeld?
Von der Sparrenburg über Bielefeld schauen.
Spricht nicht eigentlich so jemand, der Bielefeld nicht wirklich kennt? Und überhaupt: Wer über Bielefeld schaut, schaut leicht darüber hinweg und ist auf jeden Fall nicht mitten unter den Menschen.
Das absolute Highlight aber ist folgende Frage:
Angenommen, Sie werden heute gewählt, wo treffen wir Sie am Wochenende?
Bei Schneider merkt man wieder die Anstrengung, möglichst nicht unangenehm aufzufallen während gleichzeitig nach Pinsel und Honig gegriffen wird:
Wenn noch eine Karte zu haben ist, beim Heimspiel der Arminia gegen Borussia Dortmund oder in irgendeiner Kneipe bei der Direktübertragung des Spiels.
Wäre Guntrum Bielefeld wirklich wichtig, dann hätte er schon längst eine Karte für das Spiel – oder wüste zumindest, in welcher Kneipe er es sich ansehen wird. Nico dagegen verkneift sich nicht mal eine schöne spitze gegen Guntram:
Ich bin um 11 Uhr bei Radio Bielefeld zum Interview und um 15:30 auf der Alm, wo wir Guntrams Heimatverein, Borussia Dortmund, geschlagen nach Hause schicken werden.
So macht man das! Es wäre auch kein Zeichen von Diplomatie, wenn sich Guntram einen gelben und blauen Schal umhängen würde.
Erstaunlich überrings, dass es heute Abend Wahlkabinen für eine echte geheime Wahl gibt. Hoffen wir mal nur, dass niemand noch handschriftliche Änderungen an den Stimmzetteln vornehmen muss, denn das wäre peinlich. Immerhin haben die Delegierten zwei Stunden Zeit, vor der Wahl noch mal über beide Kandidaten zu diskutieren.
3 Kommentare
Hab ich irgendwas verpasst, oder ist „Bielefelder sein“ die wichtigste Schlüsselqualifikation für Bundestagsabgeordnete? :-)
Aber im Ernst: Aus beruflichen Gründen musste ich relativ häufig in eine neue Stadt und Region ziehen. Mich in der neuen Heimat zu engagieren, etwa in der Kommunalpolitik, ist nahezu unmöglich. Eben wegen dieser dieser Art von kleingeistigem Lokalpatriotismus.
@eldersign: Sorry wenn das etwas falsch rübergekommen ist. Es ging wirklich nicht um Lokalpatriotismus – ich bin ja selber kein gebürtiger Bielefeld. Das war lediglich der Aufhänger. Gegen Schneider sprach vieles, sehr vieles. Nicht nur, dass er von oben verordnet wurde, sondern auch seien Parolen von gestern, für die in unserer Dienstleistungsgesellschaft kein Platz mehr ist. Ein Bundestagskandidat muss eben nicht, wie als Argument für Schneider angeführt wurde, nach Schweiß und Stahl riechen. Nico wäre ein Zeichen für die Erneuerung gewesen und hätte Wähler über die immer wieder zitierten Stammwähler hinaus mobilisieren können.