Angesichts von 230 Mitarbeitern, die jetzt allein am Gütersloher Standort von Lycos ihre Arbeit verlieren, ist Häme über eine weitere geplatzte Dot-Com Blase fehl am Platz.
Schauen wir uns daher Lycos mal aus einer ganz persönlichen Perspektive an. Vor nicht all zu langer Zeit hatte ich mich auch dort beworben. Das das Schicksal einen anderen Lauf nahm und ich dort keine Stelle bekam, sondern in einer Wohlfühlagentur im Essen, wenn man das so schreiben darf, ist wieder eine ganz andere Geschichte.
Zurück aber zu Lycos. Es sah damals in Bezug auf meine Bewerbung gar nicht mal so schlecht aus. Ich kam sogar in die zweite Runde und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das war kein kurzer Termin, sondern ging über mehrere Stunden. Die Atmosphäre vor Ort war angenehm, allerdings auch etwas bemüht locker. Bereits in der Stellenausschreibung wurde eine Frage aufgeworfen, die sich im persönlichen Gespräch wiederholte:„Ob man denn bereit wäre, mehr als nur 9 to 5 zu arbeiten.” Klar war ich das damals – wie viele andere wohl auch. Was die Angestellten, die sich für ihr Unternehmen aufgeopfert haben, davon haben, sieht man jetzt. Sie stehen vor den Trümmern ihrer beruflichen Existenz, fallen in ein tiefes Loch.
Dabei ist Lycos kein Einzelfall, sondern nur das letzte Beispiel. Sicher, es wird jetzt versprochen, den Mitarbeitern bei der Suche nach einem neuen Job zu helfen. Aber was bleibt sonst noch?
Nicht wenige der Mitarbeiter werden zurück blicken und such diese Frage stellen. Man war doch eine Gemeinschaft, hat sich als Teil der Firma. verstanden und möglicherweise dank Aktien auch tatsächliche Teile davon besessen. Was jetzt folgt, ist die Phase der Ernüchterung. Am Ende dürfte vielleicht die Erkenntnis stehen, dass es nicht klug war, auf klassische Arbeitnehmerrechte zu verzichten.
Verbunden mit der Frage, ob man mehr als nur 9 to 5 arbeiten würde, ist der Verzicht auf eine geregelte Arbeitszeit. Oft auch der Verzicht auf einen Ausgleich der Interessen – wer über das normale Maß hinaus arbeitet, bekommt entweder eine angemessene Lohnzulage oder Freizeitausgleich. Dinge, die die Gewerkschaften schon vor langer Zeit durchgesetzt haben. Im Zeitalter von Web 2.0 scheinen diese aber zunehmend aus der Mode zu kommen. (Selbst-) Ausbeutung wird wieder gesellschaftsfähig. Ein Rückfall um einige Jahrzehnte, der branchenübergreifend zu beobachten ist – auch im Einzelhandel.
Die Unternehmen reagieren teilweise wie Abhängige. Je mehr ihnen gegeben wird, desto mehr wird erwartet. Wie es dann am Ende ausgeht, wissen wir.
Christoph Mohn, derzeit noch Vorstandschef bei Lycos, wird mit Sicherheit weich landen. Die kalten Flure der Agentur für Arbeit wird er nie kennenlernen.
5 Kommentare
Wenn ich das schon wieder lese – sie werden ihren Mitarbeitern bei der Suche nach einem neuen Job helfen. Dieses Angebot bekam ich auch mehr als einmal, als ich gegangen wurde. Und was war dran? Man hat sich umgehört, falls ein Geschäftspartner jemanden brauchte, wirklich gefragt, eine aktive Suche betrieben oder Empfehlungen ausgesprochen – Pustekuchen. Und so wird es bei Lycos auch nicht anders sein, was ich gerade bei so großen Unternehmen mehr als schade finde.
Und zur Arbeitszeit – einen Freizeitausgleich gibt es doch heute in den wenigsten Unternehmen. Ebenso sucht man die Vergütung der Mehrarbeit vergebens, in den meisten Arbeitsverträgen steht doch heute eh, dass eine bestimmte Menge an Überstunden mit dem Lohn abgegolten ist.
@Britta
Und was lernen wir daraus? Wenn Mehrarbeit nicht vergütet wird, muss man sich eben auf das Notwendigste beschränken.
Das ein Teil der Überstunden mit dem Lohn abgegolten werden ist nur eine Form der Lohnsenkung, mehr nicht.
Ich als Lokführer bringe nur die Stunden, die unbedingt erforderlich sind. Meine Freizeit ist mir wichtiger.
@ Oliver – kannst du das bei deinem Chef so einfach durchsetzen? Ich mache Dienst nach Vorschrift und gut? Dann Gratulation zu dem Chef! Ehrlich, andere kriegen dann zu hören – pünktlich Feierabend? Gerne, dann brauchst du auch gar nicht mehr wiederkommen. Das ist das Problem heute.
Naja es kommt darauf an, ob ausreichend Personal vorhanden ist und ob man damit in der Position ist, Druck zu machen. Bei uns Lokführern herrscht akuter Personalmangel, so dass wir uns überlegen können, zusätzliche Schichten zu fahren.
Wenn mein Obermotz in Berlin mich nur als Kostenstelle betrachtet, habe ich offengestanden keinen Bock, meine knappe Freizeit noch mit zusätzlichen Überstunden zu versüßen. Ich arbeite schließlich im unregelmäßigen Wechseldienst, da brauche ich die Freizeit zur Erholung und um wieder in einen normalen Rhythmus zu kommen.
Wie gesagt, es hängt von der Position ab, in dem sich der Arbeitnehmer befindet. Ansonsten hilft nur noch Dr. Yellow (Krankenschein).
Und der kommt auch irgendwann raus und fällt einem auf die Füße.
Aber du hast schon recht mit der Position – da muss man halt eben in der richtigen Stelle sein, um auch Druck auf den Arbeitgeber ausüben zu können.