Bei manchen Filmen frag eich mich tatsächlich, warum sie mir nicht bereits früher aufgefallen sind, warum quasi bisher eine regelrechte Bildungslücke vorhanden war. Einer dieser Filme, auf die genau das zutrifft, ist Der Ausnahmezustand
Aus dem Jahre 1998 stammend, nimmt er mit einem erschreckend Szenario genau das vorweg, was wenigen Jahre später Realität wird. Im Kern geht es um eine Serie von terroristischen Anschläge islamistischer Selbstmordattentäter in New York, bei denen über tausend Menschen ums Leben kommen.
Das mit den Anschlägen befasst FBI kann zwar Erfolge im Kampf gegen den Terror verbuchen, schafft es aber nicht, die anderen Terrorzellen ausfindig zu machen. Jede Zelle, so eine Expertin des CIA, operiere vollständig autonom. Wird eine Zelle ausgeschaltet, steht schon die nächste bereit, das Werk der Fanatiker fortzuführen. Zwischen dem FBI und dem CIA brechen einmal mehr die Rivalitäten hervor – wer ist für die Terrorbekämpfung zuständig, wer enthält wem Informationen?
Die Lage ändert sich, als bei einem Anschlag das FBI-Hauptquartier in New York vollständig zerstört wird. Der Präsident der Vereinigten Staaten ruft den Ausnahmezustand aus, das Militär wird eingeschaltet. Aufmarschierende Soldaten treiben Bürger moslemischen Glaubens zusammen und stecken sie in ein Internierungslager. Durch Folter wird versucht, Geständnisse zu erpressen.
Soldaten die Folter, Internierungslager, wo Menschen ihre fundamentalsten Rechte verweigert werden? Wem fallen da nicht Bilder von Abu Ghraib und Guantánamo ein.
FBI-Agenten Anthony Hubbard, sieht sich zwischen allen Fronten. Er ist willens, den Terror zu bekämpfen, aber nicht um jeden Preis. Die Vorgehensweise des Militärs sieht er als Verrat an der amerikanischen Verfassung. Für ihn sind die „Begleiterscheinungen” des Ausnahmezustandes genau das, was die Terroristen erreichen wollen. Wenn der Staat foltert, wenn er Menschenrechte aus Kraft setzt, Bürger ohne ordentliches Gerichtsverfahren, ohne Anklage inhaftiert, dann haben die Terroristen gewonnen.
Krieg gegen den Terrorismus, Kampf gegen Islamisten – schon allein die Gewalt, die aus der Sprache spricht, sollte Angst machen, den Krieg und Kampf implizieren schon auf Grund der Begrifflichkeiten den Einsatz militärischer Mittel. Es ist bereits die Sprache, mit der der Ausnahmezustand ausgerufen wird.
Der Film hinterlässt einen tiefen, nachhaltigen Eindruck. Er regt an, über aktuelle politische Entscheidungen, über Äußerungen von Innenministern und anderen Repräsentanten der Staatsmacht nachzudenken.