Laut Statistik stammt ein sehr hoher Prozentsatz von Brandstiftern aus Kreisen der freiwilligen Feuerwehr. Oft werden Brände gelegt, weil den Tätern das anschließende Löschen innere Befriedigung verschafft. Nicht immer entsteht ausschließlich Sachschaden. Bewusst oder unbewusst nehmen die Brandstifter auch den Verlust von Menschenleben in kauf.
Trotz diese erkennbaren Zusammenhangs würde wohl niemand ernsthaft die Abschaffung oder sogar das Verbot der freiwilligen Feuerwehr fordern. Wenn aber wie jetzt in Emsdetten ein junger Mann (es sind erstaunlicher Weise immer Männer, vielleicht sollte das Geschlecht verboten werden…) ein Amokläufer sich durch seine ehemalige Schule tötet, dann wird nicht lange weiter nach den Ursachen gesucht, wenn er zufälligerweise auch so genannte Egoshooter gespielt hat. Vorschnelle Schlüsse werden gezogen und viel zu schnell heißt es dann wieder, dass das Spiel Counter Strike sei Schuld an der Tat.
Genauso könnte auch die Art und Weise der Berichterstattung Schuld sein an der Tat, denn das Presseecho nach so einem Amoklauf ist immens. Selbst die Süddeutsche Zeitung hält sich nicht zurück. Ein Teaser mit Foto des Täters auf Seite eins, ein zwei Berichte im Panorama-Teil (über den Täter und ein Interview dem deutschen Pressesprecher der World Cyber Games) und noch ein halbseitiger Artikel auf Seite drei. Sehr viel Aufmerksamkeit für einen Menschen, der vorher nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand.
Das nur an Aufmerksamkeit, die dem Täter von einer Zeitung entgegen gebracht wird – schade, dass Sebastian B. zu Lebzeiten nicht mal eine Bruchteil der Aufmerksamkeit bekommen hat, denn dass hätte möglicherweise die Tat verhindert. Auch wird es so mancher normale Bürger wird es nie soweit bringen und sein gesamtes Leben lang, ja sogar erstrecht darüber hinaus unbekannt bleiben.
Ist es da nicht verführerisch für Menschen, die nichts mehr mit sich anzufangen wissen, die rat- und hilflos sind, ihren Leben mit einem finalen Knall, der andere mitreißt, ein Ende zu setzten? Sie wissen durch das, was über vorangegangenen Taten berichtet wurde, dass sie sich diese Weise post mortem zu in die Geschichte eingehen werden. Wäre es nicht auch nahe liegend, Berichte über Amokläufe in Schulen zu verbieten? Oder sind es letztendlich nicht sogar die Schulen, durch die unsere Kinder zu Opfern und Tätern gemacht werden?
Viel Raum für viele Ursachen und immer wieder die gleiche Wirkung. Ein Mensch verlässt die Spur dessen, was von ihm erwartet wird und versucht mit jedem Schuss die Aufmerksamkeit zurück zu bekommen, die ihm auf seinem bisherigen Lebensweg abhanden gekommen ist – wenn ihm sie denn überhaupt je zu Teil wurde.
Wir sollten eigentlich reif genug sein, nicht nur für mehr Toleranz in Bezug auf neue Medien, neue (Spiel-)Kulturen, sondern reif genug, um die wahren Ursachen für Taten wie in Emsdetten zu erkennen. Diese liegen nicht in irgendwelchen elektronischen Spielen. Die Gesellschaft selber ist es, die mit ihrer zunehmenden sozialen Kälte, mit ihrer Gleichgültigkeit und mit einem bis ans Mark maroden Schulsystem die Taten geradezu provoziert.
Der bequeme Weg ist sicher, Egoshooter für den Amoklauf von Sebastian in seiner ehemaligen Schule verantwortliche zu machen. Er ist aber genauso verlogen wie falsch, weil dem Eingestehen der wahren Ursachen im Weg steht, für die dann wohl auch Politiker, Lehrer und Eltern jeweils ein Teil der Schuld tragen.
Seien wir einfach so klug und ziehen keine Rückschlüsse von den Wirkungen zu den Ursachen, denn das könnten falsche Schlüsse sein. Nicht die Egoshooter, die Computerspiel („machen dumm und dick”) sind Schuld an dem, was Sebastian getan hat, sondern unsere Gleichgültigkeit. Ändern wir was, bevor noch mehr junge Menschen schreiben werden, dass sie weg sind.
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