Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Es gibt sicher wichtigere Themen als die Kleinkrämerei in Bloggersdorf. Auf der anderen Seite gilt für Werte wie Moral, dass diese im Großen wie im Kleinen ihre Geltung haben sollten. Ein Maßstab muss deshalb nicht bedeutungslos werden, nur weil auf den ersten Blick das Gewicht eines bestimmten Themas als für zu leicht befunden wird.

So hat der Satz aus dem deutschen Grundgesetz „Die Würde des Menschen ist unantastbar” nicht nur Gültigkeit in der Beziehung vom Staat zu seinen Bürgern, sondern auch zwischen den Bürgern untereinander. Es kann letztendlich auch daraus geschlossen werden, dass gerade das moralische Handeln Einzelner in der Summe erst eine Gesellschaft ermöglich, in der der Staat als Konstrukt als ebenfalls moralischer Handelnder agieren kann.

Mit anderen Worten: Zwar ist ein unmoralische handelnder Staat möglich und denkbar, in dem sich einzelne Individuen moralisch verhalten, aber ein moralisch handelnder Staat, bestehend aus einer Gesellschaft von unmoralischen Menschen, ist grundsätzlich nicht möglich.

Problematisch an dieser These ist die Definition dessen, was Moral ist. Im allgemeinen wird Moral als Summe sittlicher Normen, Grundsätze und Werte betrachtet, welche von den Mitgliedern einer Gesellschaft bzw. Gemeinschaft als verbindlich erachtet. Anders gesagt wäre Moral in diesem Sinne etwas, was auf Traditionen und Gewohnheiten beruht.

Von diesem Standpunkt aus gibt es zwei Dimensionen für Moral: eine zeitliche und eine räumliche Dimension. Die zeitliche Dimension hat zur Folge, dass sich Moral und Moralvorstellungen innerhalb einer Gesellschaft im Laufe von Jahren ändern können. Was vor siebzig Jahren noch üblich war, ist heute unter Umständen verwerflich, unmoralisch.

Folge der räumlichen Dimension ist, dass sich die Moralvorstellungen zwischen Gesellschaften unterscheiden. Dabei scheint ein größere räumliche Distanz auch einen größere Unterschied in der Moralvorstellung zu begünstigen.

Beide Dimensionen der Moral führen dazu, dass es keine objektive, allgemeingültige Moral gibt, sondern diese immer unmittelbar verbunden ist mit einer Gesellschaft von Menschen, die diese Moral mehrheitlich als für sich verbindlich erachtet. Abweichung von dieser Moral führen zu Konflikten, die entweder innerhalb der Gesellschaft entstehen können, wenn eine Minderheit eine andere moralische Position vertritt, als auch außerhalb, wenn unterschiedliche Gesellschaften aufeinander stoßen.

In der Philosophie wird der Moral die Ethik zur Seite gestellt bzw. übergeordnet. Kurz gefasst geht es im Kern darum, universell gültige Leitsätze und Verhaltensweisen aufzustellen. Dazu ein vereinfachtes Beispiel: In anderen Kulturkreisen kann der Verzehr bestimmter Nahrungsmittel unmoralisch sein. Dagegen ist die Unantastbarkeit der Würde des Menschen keine von der Gesellschaftsform abhängige Moralvorstellung, sondern ein ethischer Wert an sich, der aus der Einsicht seiner unabdingbaren Notwendigkeit heraus besteht.

Schlagen wir an dieser Stelle wieder den Bogen zurück zum Anfang. Auch wenn die Mehrheit von Individuen in einer Gesellschaft dem Grundsatz der Menschenwürde zustimmt, ist damit noch nichts gewonnen, denn es fehlt eine Festlegung dessen, was Würde ist.

Dabei kann sich an so einfachen Dinge wie die Frage, ob Dokumente, die Auskunft über einen Menschen geben, der nicht von zeitgeschichtlicher Bedeutung ist, ohne dessen ausdrückliche Zustimmung veröffentlich werden dürfen, bereits eine heftige Kontroverse entzünden.

Inwieweit so eine Veröffentlichung verwerflich ist, lässt sich sicherlich nicht pauschal beantworten. Von Bedeutung für eine eigene Position ist der jeweilige moralische Standpunkt und die persönliche Definition dessen, was Würde ist und welches Handeln die Menschenwürde verletzt.

Möglicherweise bietet der Kategorischer Imperativ von Immanuel Kant eine Lösung an:

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.

Oder, mit anderen Worten: Handle stets so, wie du auch selbst behandelt werden möchtest. Als Handlungsanweisung für den Umgang mit- und untereinander jendfalls scheint dies nicht verkehrt zu sein.

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