Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Bei den ganzen Patriotismus Debatten in letzter Zeit stelle ich mal wieder fest, dass ich ohne schlechten Beigeschmack von mir behaupten kann: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein”. Damit meine ich aber nicht die Nationalität, sondern die Familienzugehörigkeit. Der Mädchenname meiner Mutter ist nämlich, richtig, Deutscher.

Mit einem T-Shirt, auf dem der Spruch gedruckt wäre, würde ich dennoch nicht in der Öffentlichkeit rumlaufen. Bevor ich die Chance zu einer Erklärung bekommen würde, hätte ich in sehr kurzer Zeit ein blutige Nase. Und warum? Weil so Deppen am rechten Rand durch dumpf tönende Propaganda Patriotismus in unserem Land negativ besetzt haben.

Der Effekt: Bereits eine Deutschlandfahne löst bei den politisch Linken einen Abwehrreflex aus. Vaterland ist ein Wort, dass einen solchen Beigeschmack im Mund erzeugt, dass so mancher angewidert auf die Straße spuckt. Bekommen wir es jemals hin, ein „unverkrampftes” Verhältnis zu unserem Staat zu entwickeln?

Ich denke nicht. Gerade zu Kampagnen wie Du bist Deutschland verhindern dies. Nicht weil es Analogien zu viel älteren Kampagnen gibt, sondern weil sie einfach schlecht gemacht sind. Fröhlichkeit lässt sich nicht verordnen. Eine positive Grundstimmung muss von alleine wachsen.

Auf der anderen Seite: Brauchen wir so was wie Nationalstolz überhaupt? Welchen Nutzen hat Patriotismus? Das wir uns als Deutsche besser fühlen (dürfen) als andere? Sind wir nicht letztendlich auf Leistungen anderer stolz, die schon lange tot sind?

Sicher, der Mensch bedarf eines Gefühls der Zugehörigkeit – nicht nur, um seiner eigenen Nichtigkeit zu entfliehen. Aber diese Gefühl sollte nicht auf Kosten anderer erworben werden.

Viel wichtiger, wesentlich wichtiger als eine nationale Identität wäre eine europäische Identität. Europa ist so vielfältig, so reich an unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Menschen, dass es sich lohnen würde, dafür einzustehen.

Wir denken noch in viel zu engen Grenzen, als das ein offenes Bekenntnis zu Europa über die Lippen kommen würde. Dabei wäre das aber gerade nötig, um die schwachen Bande zu festigen. Denn auch in Bezug auf Europa gilt: ein echtes Gemeinschaftsgefühl lässt sich nicht verordnen, besonders dann nicht, wenn es mehr als zwölf Jahre Bestand haben soll.

Europa braucht offene Herzen, die Bereitschaft aufeinander zu zugehen und zu zuhören und einen unverfänglichen Patriotismus. So ausgestattet wäre es auch möglich, weltpolitisch eine größere Rolle als bisher zu spielen und in Konflikten als neutrale Vermittler souverän aufzutreten.

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