Operflächlich betrachtet, ging es Gustav Seibert in seinem Essay „Opfer ’06“ in der SZ am Wochenende um eine Wertediskussion. Bei genauerem Hinsehen jedoch war zu erkennen, daß dort jemand in völliger Unkenntnis und aus seiner priviligierten Position heraus meint in der Lage zu sein, die Welt zu erklären.
Es ist kein netter Zug, jemanden die Erfahrung der Arbeitslosigkeit zu wünschen, aber in diesem Fall scheint es wohl geboten. Denn das scheint eine Erfahrung zu sein, die Herr Seibert dringend benötigt. Er würde danach auch nicht mehr auf die Idee kommen, von einem Hartz-IV-Milieu zu schreiben, mit denen er die Menschen meint, die über eine geringe Bildung verfügung.
Arbeitslosigkeit hat weniger denn je mit dem eigenen Bildungsgrad zu tun. Solches zu behaupten, ist einfach nur eins: über alle Maßen dumm.
Durch das gesamte Geschmiere von Seibert ziehen sich Reizwörter, die zu raschem Bluthochruck führen wie zum Beispiel die „Hauptschulverwahrlosung“. Zum Erbrechen sind auch Aussagen wie „generationenlange Gewöhnung an staatliche Unterstützung“.
Seibert behauptet, daß das Vulgäre die Seele der gewöhnlichen Menschen frisst und geißelt das Leitmedium des Vulgären, die Bildzeitung. Dabei übersieht er, daß die Schwester des Vulgären die Popularität ist, der er wie einer billigen Hurre völlig verfallen ist, um an dieser Stelle im Bilde zu bleiben.
Die Wiederholung von populären, aber falschen, Vorurteilen macht diese nicht wahr. Zudem verkennt Seibert, welche lange Tradition das aufgeklärte Bildungsbürgertum im Hinblick auf die Vernichtung menschlichen Lebens hat. Auch nur zu denken, daß sich über den Brennöfen der ungebildeten Unterschicht der Engel der Aufklärung erhebt und seine gebildeten Oberschichten Kinder erlösst, ist wiederwärtig.
Gewalt gibt es auch an den „Eliteschulen“ des Landes. Hass und Obszönitäten sind kein Privileg der Unterschicht. Die Dekadenz des Geistes durchdringt alles und sucht sich mit Vorliebe falsche Propheten.