Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Den Marsch in die Unmündigkeit sollen nach dem Willen von Arbeitsminister Franz Müntefering (darf der sich eigentlich noch Sozialdemokrat schimpfen?) junge Arbeitslose antreten. Wer zwischen 18 und 25 Jahre alt und ohne Arbeit ist, bekommt demnächst nur noch 80 Prozent von dem, was einem normalen Hartz IV-Empfänger an Almosen zugeteilt wird.

Für junge Erwachsen sind das dann 276 Euro, von denen sie leben müssen. Nur wer aus „schwerwiegenden sozialen Gründen” bei den Eltern ausgezogen ist, erhält mehr. Aber auch nur dann, denn die Behörde den Auszug vorher genehmigt hat. Sollte künftig irgendein Arbeitnehmervertreter, Soziologe oder Politiker davon reden, daß die Jugend von heute viel zu unselbständig sei: Schuld daran sind Leute wie Herr Müntefering.

In einem Klima der Unselbständigkeit und Angst (die Probezeit für Arbeitnehmer soll auf zwei Jahre erhöht werden) ist es kein Wunder, wenn junge Menschen sich gegen Kinder entscheiden. Zu einer vernünftigen Familienpolitik gehört es auch, die Lebensumstände von jungen Familien zu verbessern und Menschen soviel Sicherheit zu vermitteln, daß sie nicht in beständiger Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes und den Abrutsch in die Armut leben müssen.

4 Kommentare

  1. Das stimmt so nicht, Thomas! Es geht um die, die eine Lücke im Gesetz bewusst ausnutzen und sich eine Wohnung nehmen, die dann vom Staat bezahlt wird. An der Stelle hat der Gesetzgeber (allen voran auch wir Sozis) gepennt! An solchen Gesetzeswerken sind aber immer mehrere beteiligt, nicht nur Politiker.

    Münte jetzt die Schuld zu geben ist falsch. Ich kritisiere ihn (intern) auch – und nicht zu knapp. Aber pauschal von 20 % Kürzung des ALGII zu sprechen ist nicht Dein Niveau, sondern eben das von der „Zeitung“, die die Tagesschau als Quelle heranzieht. Und solange ich nix aus dem Ministerium höre, bin ich daher schon aus dem Grunde skeptisch.

    Hätte ich nämlich schon lange was zu gebloggt ;-).

  2. Nobbi, ich gehöre ja nicht mehr zu den Spezialdemokraten, daher kann ich mich nur auf das beziehen, was in der Presse zu finden ist. Mir allerdings auch einige Fälle von Jugendlichen bekannt, die nicht eine Lücke ausnutzen wollen, sollen einfach nicht mehr zu Hause leben wollen – was durchaus nachvollziehbar ist.

    Herrn Müntefering trau ich schon seit etwas längerem nicht mehr. Die Rente mit 67 zum Beispiel war keine wirklich gute Idee. Sicher, irgendwo muss das Geld herkommen, aber es gibt eine Menge andere Ideen, die umgesetzt werden könnten.

  3. Gar keine Frage, Thomas, ich möchte diejenigen, die von zu Hause raus wollen, auch nicht alle pauschal „beschuldigen“. Das liegt mir fern. Aber diese Meldung stammt aus einer Quelle, die mit Seriösität so viel zu zu hat wie ein Igel mit Stabhochsprung ;-).

    Die Rente mit 67 war ja bereits geplant und steht auch so im Koaltionsvertrag. Aber ich gebe Dir völlig Recht, dass das Vorziehen und vor allem Art und Weise, dies nun so vollmundig anzukündigen, daneben ist/war.

    Das ist für mich jetzt kein Austrittsgrund (ändern kann ich innerparteilich nur etwas, wenn ich drin bleibe), aber ich werde ganz sicher keinen Wahlkampf mehr in der Fußgängerzone machen. Ich könnte ganz sicher die Rente mit 67 wie ursprünglich geplant vertreten und auch erklären, ich könnte den Leuten auf der Straße gegenüber auch die von uns im Wahlkampf massivst angegangenen 18 % „Merkelsteuer“ erklären (große Koa bedeutet nunmal auch Kompromisse), aber wie – bitte schön – soll ich 19% vertreten? Nach dem Motto „Wir haben uns ja durchgesetzt und die 18%ige Erhöhung verhindert. Wir haben sogar 19% durchgesetzt.“
    Du siehst, ich bin kein Sozi, der nur mit der roten Brille durch die Gegend läuft.

  4. Das du kein Sozzi bist Nobbi, der mit der roten Brille durch die Gegend läuft, habe ich mir auch so gedacht :-)

    Um mal ganz ehrlich zu sein: Es gibt den einen oder anderen Tag, an dem ich meinen Austritt aus der SPD doch bereue. Gegenwirnd aus der Basis kann vielleicht doch ab und an hilfreich sein. Auch wenn man ständig den Eindruck hat, gegen Wände zu reden.

    Was mir in der SPD zur Zeit einfach fehlt, sind Symbolfiguren an der Spitze, die der Sozialdemokratie ihre Seele wiedergeben. Symbolfiguren wie der leider verstorbene und von mir sehr geschätzte Johannes Rau.

    Wenn mich jemand fragen würde, was die SPD von heute prägt, wäre ich ziemlich hilflos dabei, eine Antwort zu suchen. Ist es überhaupt noch die SPD oder schon „New Labour“?

    Als Fußnote: Die Meldung über Münteferings Pläne stammt aus zwei Quellen, denen ich nach wie vor vertraue: Süddeutsche Zeitung und Tagesschau

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