Die Franzosen verstehen nicht nur viel von guter Küche und Lebensart, sie verstehen es auch zu streiken. Ein Generalstreik lähmt zur Zeit Frankreich. Protestiert wird für mehr Arbeit und für eine bessere Sozialpolitik. In Deutschland dagegen landesweit nur Lethargie.
Die Montagsdemonstrationen vom letzten Herbst gegen Hartz IV längst vergessen. Demonstrieren liegt den Deutschen nicht im Blut. Schon Lenin wußte, daß sich die Deutschen vor dem Erstürmen eines Bahnhofs eine Bahnsteigkarte kaufen würden. Viel zu stark ausgeprägt ist das Bedürfnis, sich einfach den Dingen zu fügen. Bedauerlich, daß wir in dieser Hinsicht nichts aus dem Fall der Mauer gelernt haben. Dabei wäre gerade der vergangene Tag der Deutschen Einheit eine gute Gelegenheit gewesen, sich daran zu erinnern, wie eine Politikerkaste in die Knie gezwungen werden kann.
In diesem Herbst wird niemand für eine andere Politik auf die Straße gehen. Keine Protestzüge am Rande der Bannmeile in Berlin, die ein Einlenken fordern und die Parteien zur Zusammenarbeit und Kooperation aufrufen. Kein Plakat wird getragen, um gegen Schröder und Merkel zu protestieren.
Ein weiteres Hauptproblem von uns Deutschen scheint das verkrampfte Verhältnis zur Arbeit zu sein. Auch dort heißt es wieder, seinen Blick nach Frankreich zu richten und zu schauen, was Corinne Maier in ihrem Buch „Bonjour Paresse” (deutscher Titel: Die Entdeckung der Faulheit) geschrieben hat. Sie hält nicht Arbeit, sondern das Arbeiten für einen Fehler. Sie empfiehlt die aktive Distanzierung im Beruf, sprich den passiven Wiederstand am Arbeitsplatz. Mit Subversiven Methoden leben bereits 18 Prozent aller Franzosen Individualismus und Ineffizienz am Arbeitsplatz aus.
Maier empfiehlt unter anderem folgendes:
- Ahmen Sie ohne großen Kraftaufwand das Verhalten der typischen mittleren Angestellten nach!
- Nehmen Sie niemals und unter keinen Umständen einen verantwortungsvollen Posten an. Wählen Sie stattdessen die überflüssigsten Stellen: Beratung, Gutachten, Forschung. Ideal ist, sich aufs Abstellgleis befördern zu lassen.
- Wenn Sie Leute betreuen, die nur vorübergehend im Unternehmen sind (Mitarbeiter mit befristeten Verträgen, Zeitarbeiter, Praktikanten), behandeln Sie sie herzlich, denn Sie sollten nie vergessen, dass es die einzigen sind, die wirklich arbeiten.
Kein Arbeitnehmer sollte vergessen, daß er sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet, in dem eindeutig geregelt ist, wer am längeren Hebel sitzt und was mit ihm passiert, wenn jemand anderes seinen Job billiger machen kann. Darüber kann auch kein funktionelles Lob von Vorgesetzten hinwegtäuschen. Dazu meint Corinne Maier:
„Das Unternehmen, das Sie so wunderbar findet und das von Ihnen verlangt, es auch wunderbar zu finden, setzt Sie im Zweifel wunderbar schnell vor die Tür.”
Gegen ihre Strategien gibt es auch berechtigten Einwand derer, die keinen Arbeitsplatz haben. Denn sie können sich nicht zurücklehnen und die Früchte nicht getaner Arbeit genießen. Das grundsätzliche Problem besteht nicht darin, wie die eigene Arbeitszeit möglichst kreativ gestaltet werden kann, sondern es liegt in der Arbeit selber. Steigende Arbeitslosenzahlen verunsichern die Menschen nicht nur in Deutschland. Darauf kann unterschiedlich reagiert werden. Es gibt die vagen Ideen der Linkspartei, die herzlosen Doktorspiele der SPD oder auch die Vorschläge der Union und FDP, die am liebsten die Axt an den Sozialstaat anlegen wollen.
Für den Ökonom Jeremy Rifkin sind das alles jedoch nur Scheinlösungen, weil sie alle die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Diese hat Rifkin in seinem Buch „Das Ende der Arbeit” beschrieben. Er geht davon aus, daß langfristig die Arbeit verschwinden wird. Eine der Ursachen dafür ist die immer weiter voranschreitende Technisierung der Arbeitswelt. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung (Link via rubykon.de) nimmt er ausführlich Stellung zu seinen Thesen.
Der von ihm verfolgte Ansatz lässt innehalten und wirft zwangsläufig die Frage danach auf, warum diese Einsicht noch nicht bei den Politikern angekommen ist. Nun kann es jedoch sein, daß auch die Politiker die Faulheit für sich entdeckt haben und außer Schaumschlägerei nicht wirklich aktiv sind. Sicheres Indiz dafür wäre ein erhöhtes Aufkommen von Expertengremien, die stattdessen die Arbeit erledigen.
Sicher kann über die Thesen von Rifkin diskutiert werden, was aber, wenn es denn geschieht, merkwürdigerweise nicht öffentlich passiert. Vermutlich tut die Wahrheit so weh, das der Schmerz der Erkenntnis die Handlungseliten lähmt.