Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Für Wehmeier kündigte sich die Mittagspause wie immer bereits anderthalb Stunden vorher durch seinen knurrenden Magen an. Mit einem Seufzer schaute er links rüber zu den Kakteen auf dem Fensterbrett, bevor sein Blick sich nach vorne, zur gegenüberliegenden Wand richtete.

Dort hing der Jahreskalender, in dem Wehmeier seinen Urlaub wie immer penibel nach den Weihnachtsfeiertagen eintrug. So machte er das seit dem er vor über fünfundzwanzig Jahren, unmittelbar nach seiner Verbeamtung, in der Außenstelle West des Finanzamtes angefangen hatte. Keiner der Einträge schien verändert worden zu sein. Allein der Gedanke an Veränderungen beunruhigte Wehmeier stets aufs Neue. Um sich zu beruhigen, spitze er den vor ihm liegenden Bleistift erneut an. Rechts über der Tür hing die Uhr, auf der nach dieser Tätigkeit weniger als eine Minute vergangen war.

Aus der obersten Schublade seines Schreibtisches entnahm Wehmeier ein Eukalyptus-Bonbon, schob es sich in den Mund und nahm die nächste Akte zur Hand. Ein routinierter wie auch längst überflüssiger Vorgang, den alle Unterlagen der Steuerpflichtigen lagen in digitalisierter Form vor. Nur nachträglich eingereichte Belege wurden noch auf Papier für den Verwaltungsakt zur Verfügung gestellt. In so einer Belegsammlung blätterte Wehmeier.

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