Von allen guten und bösen Geistern verlassen

„Kurzgeschichten eignen sich hervorragend als Übung für längere Erzählungen.“

Das neue Jahr 2013 ist mittlerweile schon einen Monat alt. Ein Monat, in dem ich statt neue Prosa-Texte zu schreiben konsequent an der Überarbeitung meines NaNoWriMo-Romans von 2010 gearbeitet habe. Auch wenn ich gut die Hälfte des Textmaterials durchgegangen bin, liege ich leider doch hinter meinem Zeitplan.

Eine Ursache ist die Art und Weise, wie ich meinen ersten Krimi aufgebaut habe. Hier mal einen Ausschnitt für die zeitliche Abfolge der ersten fünfzehn Kapitel:

12b 12a 8 12d 9 12a 10b 10d 13 14 15b 15d 11c 7 10e 1 3 4 10a 5 10f 2 6 15a 15c 15e 11a 11g

Mit den Zahlen sind die jeweiligen Kapitel gemeint, die Buchstaben beziehen sich auf eine Szene innerhalb des Kapitels. Kapitel 1 ist der Nullpunkt, mit dem der Krimi beginnt. Eine Leiche lehnt an einer Kopfweide am frühen Morgen. Anhand der Sequenz kann man deutlich erkennen, wo die Probleme liegen. Als ob eine Rückblende nicht reichen würde. Teilweise springe ich innerhalb eines Kapitels in Zeit und Perspektive.

Auch wenn sich den ersten Testleser die Handlung trotzdem erschließt, plane ich derzeit, die Reihenfolge der Kapitel zu ändern. Dabei werden wohl auch neue Kapitel entstehen, so dass ich eine Konzentration auf eine Perspektive innerhalb eines Kapitels gewährleistet ist.

Die zweite Ursache für das nur langsame Vorankommen liegt in dem, was ich letztes Jahr gemacht habe. Vor allem Kurzgeschichten geschrieben und an diesen gearbeitet. Den einleitend zitierten Ratschlag dabei beherzigend. Der ist zwar gut gemeint, aber eben nur genau das. Es gibt mehr als einen wesentlichen Unterschied zwischen Kurzgeschichten und Romanen.

Bei Kurzgeschichten muss jeder Satz sitzen. Als Autor überarbeitet man – falsch, ich als Autor überarbeite eine Kurzgeschichte so lange, bis ich mit jedem Satz zufrieden bin. Aus den Erfahrung der letzten beiden Jahre weiss ich daher, wie lange ich für eine Kurzgeschichte benötige, bis zu einen Grad der Reife erreicht hat, mit dem ich wirklich zufrieden bin.

Für die Kurzgeschichte „Der böse Wolf“, die in der Anthologie Grimms Märchen Update 1.2 erschienen ist, habe ich über zwei Monate benötigt. Erst dann hatte sie den veröffentlichten Zustand erreicht.

Sich einen solchen „Luxus“ bei Romanen zu leisten führt zu einer sehr lange Zeitdauer vom ersten Entwurf bis zur finalen Fassung, die man einem Verlag anvertraut. Natürlich sollten die Sätze im Roman gut lesbar sein. Die Verdichtung, so wie sie bei einer Kurzgeschichte stattfinden kann, ist in der Regel jedoch nicht leistbar.

Mit Kurzgeschichten kann man als Autor seinen Schreibstil entwickeln. Mich beschleicht ab die Befürchtung, dass dieser Stil sich eben nur auf Kurzgeschichten bezieht. Zum schreiben sind Kurzgeschichten eine bereichernder Abwechslung. Um eine Roman fertig zu stellen, benötig man jedoch wesentlich mehr als die Erfahrung, die man beim schreiben von Kurzgeschichten sammelt.

Das Risiko bei Kurzgeschichten liegt möglicherweise auch darin, dass man sich eine falschen Arbeitsaufteilung aneignet. Oft entstehen Kurzgeschichten impulsive, dafür arbeite man hinterher länger daran, bis aus dem rohen Stein ein Diamant geworden ist. Bei Romanen investiert man viel Arbeit vor dem eigentlichen schreiben. Plot, Recherche, Ausarbeitung der Figuren. Der erste Entwurf ist dann das Ergebnis. Er muss zwar auch noch geschliffen werden. Dennoch sollte man dabei einen realistischen Zeithorizont im Auge haben. Zumindest dann, wenn man eine Veröffentlichung beabsichtigt.

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