Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Beginn meines Studiums markierte auch in mehrfacher Hinsicht einen Wendepunkt in meinem Leben. Zu Hause wohnen lag hinter mir, eine fremde Stadt vor mir und gekocht hatte ich schon ein paar Jahre vorher selber. Das hing zusammen mit einer so genannten vegetarischen Phase und einer Mutter, die zu Recht meinte, wenn ich denn unbedingt anders essen wolle, müsse ich auch selber kochen. Nur ungefähr schätzen kann ich, wie viele Kochbücher ich besaß, als ich nach Bielefeld zog.

Vielleicht zwei, oder drei wenn es hochkommt. Mehr auf keinen Fall. Der Wendepunkt in Bezug auf das Kochen war das Zusammentreffen mit einer Kommilitonin, die damals schon regelmäßig die Zeitschrift „schöner essen“ kaufte. Davon ließ ich mich infizieren und sammelte fortan ebenfalls monatlich. Dabei häutete sich die Zeitschrift einige Male, mittlerweile nennt sich die Nachfolgerin „essen und trinken — Für jeden Tag“. In meinem Arbeitszimmer stapeln sich einige Jahrgänge, im Keller liegen in Kartons verpackt weitere, die eben bis zu meiner ersten gekauften „schöner essen“ zurückreichen.

Anfangs habe ich die Rezepte, die ich kochen wollte, noch fotokopiert und in einen Ringordner in Klarsichtfolie abgeheftet. Erst Ende letzten Jahres löste ich dieses Verfahren mit dem gelungenen Umstieg auf Paprika ab. Meine Frau wird vermutlich noch bis zu ihrer Pensionierung Klarsichthüllen haben. Interessante Rezepte markiere ich mir mit Klebezetteln. Eine Zeit lang bleiben die Ausgaben mit Zetteln dann bei mir neben dem Schreibtisch liegen, bis ich dann das Rezept abtippe oder aber einscanne und via OCR digital verfügbar mache. Manche der Rezepte sind sogar im Internet verfügbar, was dann noch schneller bei der Übertragung in meine Sammlung geht.

Eine lange Vorrede für den Umstand, dass es seit gestern „Für jeden Tag“ auch digital für iOS gibt, im Zeitungskiosk von Apple. Zuerst schlug mein Herz etwas schneller, erhoffte ich mir doch eine spürbare Verbesserung für meine Rezeptverwaltung. Viel zu schnell kam jedoch die Ernüchterung. Darauf folgte dann Wut, ziemlich Wut darüber, dass ein Verlag im Jahr 2015 ernsthaft so ein schlechtes Produkt abliefert.

Die digitale Ausgabe von „Für jeden Tag“ ist anscheinend lediglich ein PDF-Reader. In der kostenlos zur Verfügung stehenden Probeausgabe konnte man lediglich einzelne Doppelseiten als Favorit markieren. Mehr nicht. Weder lässt sich Text auswählen noch steht eine Suchfunktion zur Verfügung. Funktionen wie zum Beispiel die Zutaten eines Gerichtes als Mail zu verschicken (oder SMS) fehlen genau so wie die Möglichkeit, die Portionsgröße anhand der Personenzahl anzupassen. Dinge, die meine Rezeptverwaltung spielend bewältigt. Das was da geliefert wurde, ist keine digitale Ausgabe, sondern eine Unverschämtheit. Es gibt auch keinen nennenswerten Grund, als Abonnent der FJT ein digitales Upgrade für 30 Cent durchzuführen. Damit müsste schließlich ein erkennbarer Mehrwert verbunden sein.

Bei den vielen guten Rezepten in der FJT hätte man sich ein Mindestmaß an Leidenschaft für die digitale Ausgabe gewünscht.

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