Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Manche Spiele in unserem Wohnzimmerregalen landeten dort, weil wir an sie glaubten. Weil wir trotz aller und widriger Umstände hofften, der ihnen zu Grunde liegende Mechanismus sei etwas besonders. Manchmal lagen wir falsch.

Das Herr der Ringe Tabletop Spiel von Games Workshop schaffte es nie über eine Partie hinaus, gleiches trifft für Mordheim des selben Herstellers zu. Je mehr wird sammeln und spielen, desto deutlich tritt unser Profil hervor. Klar als früher wissen wir, welche Spiele wer gerne auf den Tisch bringen und von welchen wir lieber die Finger lassen (und lassen sollten).

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Mittlerweile setzten wir gerne Kandidaten auf die Kaufliste, zu denen es eine überzeugende Rezension gibt oder noch besser, die wir bereits spielen konnten und welche uns auch gefallen haben. Dabei gibt es ganz klare Präferenz. Das, was wir auf einer Messe anspielen können, ist nur ein oberflächlicher Ersteindruck und ersetzt keine Partei in einer ruhigen Runde mit netten Spielern. Dazu gehört dann auch, dass es jemanden gibt der das Spiel gut und fehlerfrei erklären kann.

Kommen wir aber zu Hyperborea. So richtig drauf gestoßen sind meine Frau und ich darauf im letzten Jahr in mehreren Spielerunden. Die allerste Partei war grausam schlecht. Es wurde nachlässig erklärt, was bei einem komplexen Spiel schon mal tödlich ist. Dann kam dazu eine große Runde mit sechs Personen, die maximale Anzahl an Spielern für Hyperborea. Wenn dann noch Menschen am Tisch sehr lange für ihre Spielzüge benötigen, ist Frust vorprogrammiert. Insbesondere dann, wenn der Rest der Spieler nur Daumen drehen kann — persönlich mag ich keine Spiele mit hoher Downtime, erstrecht nicht, wenn Zugoptimierer am Tisch sitzen.

Am Ende des Abends fällt meine Frau ein ziemlich negatives Urteil über Hyperborea. Dagegen schlich sich bei mir der Verdacht ein, möglicherweise ein gutes Spiel gesehen zu haben. Wir gaben Hyperborea eine zweite Chance, in etwas anderer Besetzung (aber immer noch mit sechs Spielern) mit einem leicht besseren Erklärbär. Auch nicht viel besser.

Trotz ablehnender Haltung meiner Frau erstanden wir dann im letzten Herbst auf der Spielmesse in Essen ein Exemplar von Hyperborea. Das Einzige, was ich in den vergangenen Monaten damit machte war auspacken und die Karten sleeven.

Für diesen Herbst wurde eine Erweiterung zu Hyperborea angekündigt, was ich zum Anlass nahm, das Spiel endlich mal auf den Tisch zu bringen. In einem Video-Review von Dice Tower schnitt Tom Vasel einen wichtigen Punkt an. Das Spiel sei, so seine Meinung, zwar laut Schachtelaufdruck für zwei bis sechs Spieler. Tatsächlich ließe es sich aber nur mit maximal vier Spielern spielen. Die dafür genannten Gründe kamen uns sehr bekannt vor. So wie wir es gespielt hatten, konnte es einfach nur zu einem frustrierenden Erlebnis werden.

Vorgewarnt durch schlecht erklärte Regeln und eigene Erfahrungen mit Spielregeln in den letzen Tagen (Scythe und X-Wing, wo wir die Talonrolle bisher immer falsch interpretiert hatten) las ich mir die Anleitung zu Hyperborea langsam und genau durch. Gestern Abend wagten wir uns dann an eine Partie zu zweit.

Schnell stellt sich ein überraschend positives Spielerlebnis ein, sowohl bei mir (der es ja irgendwie schon immer gewusst hatte) als auch bei meiner Frau. Hyperborea als Vertreter der so genannten Bag-Building-Games kann nicht nur gut sein, es ist auch ziemlich gut. Unter bestimmten Voraussetzungen.

Anders als das Cover suggeriert, ist es kein Fantasy-Schlacht Spiele. Die Miniaturen in der Schachtel erfüllen ihren Zweck, aber wecken mitunter falsche Erwartungen. Kämpfe sind lediglich nebensächlich. Zur guten Planung gehört es, die richtigen Holzwürfel in seinen Stoffsack zu packen und möglichst viele Kontrollmöglichkeiten auszuschöpfen.
Das Spiel selber bietet durch die modulieren Spielplan und die unterschiedlichen Technologiekarten extrem viele Variationsmöglichkeiten. Die Möglichkeiten innerhalb eines Zuges verbunden mit Zugketten, die durch die Kombination unterschiedlicher Aktionen entstehen, führen allerdings zu längere Wartezeit bei den anderen Spielern. Maximal vier Spieler, das ist hier sehr wichtig.

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