Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Es entsteht zur Zeit der Eindruck, als würde die SPD unbedingt die Wahrheit vermeiden wollen. Verbindliches ist nur wenig aus der Parteizentrale zu hören.

Verzögerte Mitgliedschaft

Klar ist bisher nur der Stichtag, bis zu dem man spätestens Mitglied in der SPD sein muss, um am Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag teilnehmen zu können. Jeder der bis zum 6. Februar Mitglied wurde, darf mit abstimmen. Das hört sich auf den ersten Blick gnadenlos großzügig an. Tatsächlich wird man aber nicht sofort SPD-Mitglied, wenn man online einen Mitgliedsantrag ausfüllt. Jeder, der den Stichtag für großzügig hält, muss sich zwei Dinge auf der Zunge zergehen lassen. Zum einen ist noch gar nicht klar, wann der Koalitionsvertrag steht. Das kann morgen sein oder erst in vier Wochen. Letzteres ist genau das Stichwort für den nächsten Punkt. Denn zum anderen steht im Organisationsstatut der SPD, Paragraph 3, Absatz 1 folgendes:

Über die Aufnahme als Mitglied entscheidet der Vorstand
des zuständigen Ortsvereins. Über die Aufnahme neuer Mitglieder muss der Ortsvereinsvorstand innerhalb eines Monats entscheiden. Lehnt der Ortsvereinsvorstand den Aufnahmeantrag nicht innerhalb eines Monats ab, so gilt dies als Annahme des Antrages.

Genau das ist ein ziemlicher Knackpunkt. Wer jetzt eingetreten ist, ist damit nicht automatisch bis zum 6. Februar bestätigtes Mitglied der SPD.

Wahrheit vermeiden

moonsword / Pixabay

Unbequeme Wahrheit vermeiden

Anders als es Nico Fried heute in der Süddeutsche Zeitung schreibt, ist der Stichtag also kein Zeichen von Souveränität. Allerdings teile ich die Einschätzung von Herrn Fried, dass der SPD die Souveränität an anderer Stelle fehlt. Nämlich bei der Benennung der Personen aus der SPD, die nach einer Zustimmung zum Koalitionsvertrag ein Ministeramt übernehmen. Wahrheit vermeiden ist hier die Devise, denn man lässt die Parteibasis absichtlich im Unklaren. Dabei treibt viele SPD-Mitglieder die Frage um, ob Martin Schulz ins Kabinett gehen wird oder nicht. Wir dürfen über die Annahme des Koalitionsvertrages abstimmen, kaufen aber ansonsten die Katze im Sack.
Eine Partei, welche die Wahrheit vermeiden will um jeden Preis ist eine Partei, die ihre Glaubwürdigkeit und Zukunft verspielt hat. Martin Schulz gibt durch seinen permanenten Kurswechsel kein gutes Bild ab. Entgegen seiner ursprünglichen Aussage steht man nun doch für eine Koalition zur Verfügung und macht die AfD zur größten Oppositionspartei. Noch drastischer hat es ein großer Sozialdemokrat auf den Punkt gebracht (danke Jens für die Inspiration):

Gebrochene Versprechen sind gesprochene Verbrechen.
Johannes Rau

Ohne zu wissen, ob Martin Schulz ein Ministeramt übernimmt, ist der Mitgliederentscheid eine Farce. Und zwar deshalb, weil sich garantiert einige Mitglieder anders entscheiden würden, wenn Schulz Minister würde. Auch unter den Befürworter einer Großen Koalition gibt es noch welche, die der SPD einen Rest an Glaubwürdigkeit bewahren möchten. Diese wäre endgültig verspielt, würde Schulz Minister.

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