Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ich bin kein Brillenträger. Andernfalls wäre mir gestern, wie man so schön sagt, der Kitt aus der Brille gefallen. Zugegeben, eine etwas altmodische Formulierung. Allerdings gehört für mich so was wie Erziehung nicht zu den Dingen, die jemals aus der Mode kommen sollten.

Das es den beiden Jungs gestern Abend in der U18 auf dem Weg zum Essener Hauptbahnhof deutlich an Erziehung mangelte, war offensichtlich. Sicher fiel nicht nur mir das auf. Aber ich war der einzige, der sich einmischte in ein brandgefährliches Verhalten.

Unsplash / Pixabay

Das ein Feuerzeug kein Spielzeug ist, wusste ich für meinen teil bereits als Kind. Ja, auch ich unterlag der Faszination, die von offenen Flammen ausgeht. Bei mir wurde das allerdings in die richtigen Bahnen gelenkt. Beziehungsweise, wir hatten als Kinder genügend ungefährliche Freifläche zum austoben auf der einen oder ein Gespür für die Gefahr auf der anderen Seite. Weder in der Wohnung noch im Wald haben wir jemals Feuer gemacht, nur auf trockener Erde, wo weit und breit nichts in Brand hätte geraten können. Ich weiß dadurch nicht nur, wie verschmortes Plastik riecht, sondern auch, dass es beim brennen tropft. Solche Tropfen können auf der Haut ziemlich schmerzen.

Aber ich schweife gerade wieder ab. Zurück zu den beiden Jungs. Die spielten ein paar Sitze weiter von mir ganz offen mit einem Feuerzeug herum, betätigten den Zünder und ließen die Flammen einige Zeit brennen. Mit in einer U-Bahn. Deutlich näher am Geschehen als ich saßen andere erwachsene Fahrgäste.

Beim zweiten Mal, als die Flamme wieder anging, sah ich mit scharfen Blick rüber: „Das Feuerzeug bleibt in der U-Bahn aus.“ Eine deutlich Ansage von mir, die zu einem erschrockenen Gesichtsausdruck führte und das Feuerzeug in der Hosentasche verschwinden ließ. Dort blieb es auch, zumindest bis ich am Hauptbahnhof ausstieg. Eine übertrieben Reaktion von mir? Das sehe ich anders. Eine offen Flamme hat in einer U-Bahn nichts verloren. Sätze wie „da kann schon nichts passieren“ vertraue ich in etwa genau so viel wie „ich pass schon auf“ als Verhütungsmethode.

Bei so einem Verhalten kann man durch die richtige Ansprache korrigieren eingreifen. Nach wie vor habe ich auch noch nicht den Glauben an die Wirkung von Erziehung verloren. Langsam aber verliere ich den Glauben an erwachsene Menschen. So wie sich da gestern wieder zeigte, wollte sich außer mir kein andere einmischen und die beiden kleinen potentiellen Brandstifter einfach gewähren lassen. Im Gegenteil, man sah mich auch noch komisch von der Seite an, weil ich die Ruhe gestört hatte. In was für einer Welt leben wir bereits, wenn Einmischung als nicht zu akzeptierendes abweichendes Verhalten gilt?

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