Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ob es sich dabei um eine Korrelation von Ereignissen handelt? Schwer zu sagen. Durch eine verspätete Ankunft meines ICEs gestern Morgen in Köln hatte ich Gelegenheit, mal wieder bei der Buchhandlung Ludwig vorbeizuschauen. Der Büchertische sind verdammt gut zusammengestellt, insbesondere im Bereich, der weit über die übliche Belletristik hinausgeht.

Und dann gab es heute morgen in der digitalen Süddeutsche Zeitung eine Literaturbeilage (auch wenn Beilage hier vielleicht der falsche Begriff ist). Beides hängt natürlich nicht miteinander zusammen (dann eher die Verspätung des Zuges, der ja aus Süddeutschland kommt). Es trifft aber genau auf den Zeitpunkt, wo ich mal wieder ein Buch ausgelesen habe und nach dem Ende ziemlich verärgert bin.

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Fangen wir aber von vorne an. Es lässt sich nicht leugnen, dass ich nach wie vor eine gewisse Neigung zu Fantasy und Science Fiction Romanen habe. Die gibt es in der sogenannten hohen Literatur (darüber könnte man ein ganzes Buch schreiben) eher nicht. Also greife ich ab und an (ähnlich wie bei Krimis) etwas tiefer in Bezug auf meinen Leseanspruch. Manchmal ist es dann nicht mal mehr Belletristik, sondern Schlichtung einfach nur Schundliteratur — harter Begriff, über den sich auch streiten lässt, aber was wahres ist da schon dran.

Diese Heftchenroman in Buchlänge sind für mich, wie es immer so schön nennen, wie eine Videokassette (falls noch jemand weiß, was das eigentlich ist). Einfach reinschieben und unterhalten lassen. Setzt natürlich immer Niveau-Limbo voraus.

Nun gut. Als letztes Fastfood hatte ich „Tracer“ von Rob Boffard. Ganz ehrlich? Es ist mit großem Abstand das schlechteste Buch, was in diesem Jahr gelesen habe. Ja, eigentlich ist es sogar das schlechteste Buch aus den letzten Jahren. Selbst untalentiert Autoren von Lokalkrimis bekommen etwas passables zustande. Boffard machte nichts anderes, als ein „Jump and Run“ Computerspiel zu einer Art Roman zu verfassen. Die Hauptfigur ist läuft die ganze Zeit, springt, spurtet, rennt und ist manchmal außer Atmen. Selbst in der Spieleindustrie hat man bereits erkannt, dass man damit den durchschnittlichen Gamer nicht mehr fesseln kann.

Die gesamte Handlung lässt sich recht schnell zusammenfassen. Die Erde ist (mal wieder) von Menschen zerstört, die letzten Überlebenden vegetieren auf einer Raumstation im Orbit. Die Strukturen sind über die Jahrzehnte genau so zerfallen wie die Technik, die Stück für Stück ihren Geist auf gibt. Die Hauptfigur ist als „Tracer“ unterwegs — eine Art Zusteller für Kuriergut. Was transportiert wird, wollen die Tracer nicht wissen. Irgendeine weitere Figur will die Raumstation zerstören und alle Menschen vor dem Ende noch möglichst lange leiden lassen, da die Menschen es nicht verdient habe, am Leben zu bleiben. Ohne sie wäre die Erde besser dran. Die Hauptfigur wird in den Komplott zu Zerstörung der Raumstation (Außenerde sehr originell…) verwickelt und schafft es natürlich in letzter Minute, alles zu retten. Der Bösewicht, so stellt sich am Ende heraus, ist unwissentlich auch nur eine Marionette gewesen, um aus einer demokratischen Regierung eine Diktatur zu machen.

Mit dem Plot lässt sich eigentlich kein Blumentopf gewinnen. Die gesamte Handlung ist daher auch mehr als dürftig und auf sagenhafte 512 Seiten allein durch die detaillierte Beschreibung, wie die Hauptfigur durch die Gänge der Raumstation läuft, gestreckt. Das ist kein Thriller im All, sondern eine Katastrophe. Aber im Weltraum hört dich nicht nur niemand schreien, sondern auch niemand gähnen.

Um „Tracer“ kann man guten Gewissens einen großen Bogen machen. Ich für meinen Teil lese jetzt erstmal „Der goldene Handschuh“.

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