Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Genau so wie es verschiedenen Formen der Leibeigenschaft gibt, existieren dafür auch ganz unterschiedliche Begriffe. Sklaverei ist einer davon, auch wenn man damit ganz bestimmte Kapitel in der Menschheitsgeschichte verbindet.

Schiffe voller Menschen, die in die Sklaverei verkauft werden sollten, unterwegs von Afrika nach Amerika. Die Enge, die zahlreichen Toten auf der unfreiwilligen Reise. Und auch deutsche Reedereien, die daran verdienten.

eydolan / Pixabay

In der heutigen Welt sollte es Sklaven nicht mehr geben. Das wird gehofft, glaubt aber die Realität sieht ganz anders aus. Auch wenn sie mitunter anders heissen, Sklaven gibt es immer noch. Genau so wie Kinderarbeit nach wie vor nicht ausgestorben ist. Wer in einer Fabrik unter widrigen Umständen T-Shirts näht, die karge Mahlzeit von der Firmen bekommt ebenso wie die Unterkunft und beides von seinem Lohn bezahlen muss —das ist  Sklaverei mit anderen Mitteln.

Es gibt aber auch noch ganz andere Formen der Sklaverei, die sich im Grenzbereich zwischen der Welt und der Virtualität ansiedeln. Ich nenne es Digitale Sklaverei. Zum ersten Mal stieß ich auf sie, als ich noch World of Warcraft spielte. Im Spiel wurde seltene Gegenstände genau so angeboten wie Zutaten, die man nur durch langes und mühevolles spielen erwerben konnte. Angeboten wurde sie gegen echtes Geld. Die „Herstellung“ übernahmen, so hieß es damals, chinesische Strafgefangene, die „Farming“ betrieben, also immer wieder die selben Spielhandlungen durchliefen, um an die Gegenstände zu kommen.
Man konnte sogar fertige hochstufige Charakter erwerben und sich das selber spielen bis dahin ersparen.

Menschen als Eigentum anderer — eine Definition von Sklaverei. Die eigen Arbeitskraft ohne oder nur mit geringer Entlohnung zur Verfügung zu stellen, für mich ist das auch Sklaverei. Genau so wie einseitige Abhängigkeitsverhältnisse, die zur Ausbeutung führen.

Denken wir an Sklaven, assoziieren wir damit Länder die weit weg sind von unserer Lebenswirklichkeit. Glauben wir zumindest, bis wir bei einer Textilkette einkaufen, deren Ware unmöglich zu fairen Bedingungen hergestellt wird. Was uns aber äußerst selten begegnet, sind die Formen der Abhängigkeit die es auch in der so genannten ersten Welt gibt. Formen der digitalen Sklaverei. Statt echter Ketten gibt es zum Beispiel Verträge.

Immer häufiger sehe ich in Köln den Lieferdienst foodora. Jedes Mal muss ich dabei an einen Artikel in der Süddeutsche Zeitung denken, der ein Stück weit die Hintergründe beleuchtete. Der Lieferdienst bietet sich Restaurants als Partner an, die selber kein Essen ausliefern und über keinen Online-Shop verfügen. foodora kümmert sich um die Werbung und Logistik. Laut eigener Aussage kostenlos. Da nichts auf der Welt umsonst ist, gibt es auch hier einen Pferdefuss. Der Anbieter kassiert nämlich 30 Prozent des Umsatzes, den ein Restaurant über ihn generiert. Für Restaurants, die in der Regel knapp kalkulieren, ist das existenzbedrohend viel.

Köln ist auch das Stichwort für einen Anbieter ganz anderer Dienstleistungen. HRS, der Hotelreservierungen vermittelt und für Hotelgäste eine Best-Price-Garantie bietet. Die Hotels selber werden dabei an die Leine gelegt mit Verträgen, über die mehrfach kritisch berichtet wurde. Man kann sich als Hotelbetreiber gegen HRS zu Wehr setzen, die Frage ist jedoch, ob man es sich wirklich leisten kann, auf deren Dienste zu verzichten.

Umgehauen hat mich diese Woche etwas, was mir bis dahin noch nicht bekannt war. Wieder ein Fall, wo ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis bestand und konsequent ausgenutzt wurde. Einer unserer Agentur-Kunden betrieb bis vor wenigen Monaten einen recht erfolgreichen Verkauf von mit Logo bestickten Handtüchern über Amazon. Was unser Kunde nicht wusste: Amazon analysiert den Umsatz und Warenverkehr seiner Anbieter. So kam es, dass Amazon Kontakt mit der Fabrik aufnahm, die für unseren Kunden die Handtücher herstellt. Jetzt stellt die Fabrik die gleichen Handtücher nicht mehr nur für unseren Kunden, sondern für auch für Amazon her. Und Amazon verkauft sie deutlich günstiger als unser Kunde.

Sich Essen über ein Webseite zu bestellen ist genau so bequem wie über ein Online-Portal nach Hotels zu suchen und diese zu buchen oder wie der Einkauf bei einem Anbieter, der in seinem virtuellen Warenhaus alles verfügbar hat. Unsere Bequemlichkeit legt jedoch anderen die Ketten an. Genau so wie bei den billigen Textilien findet hier eine Ausbeutung statt.

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