Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Übervorsichtig ist ein hässliches Wort. Besonders besonnen gefällt mir, gerade in Bezug auf mich selber, schon deutlich besser. Es gibt allerdings Tage, wo sich die eigene Vorsicht auf hässliche Weise rächt. Aber der Reihe nach.

Vergangenen Samstag waren DER CHEF und ich eingeladen zu einer Halloween-Feier. Hin- und Rückweg erforderten eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Soweit kein Problem, zumal ich ja im Besitz einer bahn.card 100 bin. Während ich diese normalerweise im Portmonee untergebracht habe, bekommt sie bei gewissen Veranstaltungen einen Sonderplatz. Und zwar immer dann, wenn ich mit möglichst wenig unterwegs sein will. Kein Smartphone, kein Portmonee, nichts was man verlieren, verlegen oder kaputt gehen kann. Da die bahn.card „etwas“ empfindlich ist, stecke ich sie in ein kleines Visitenkartetui. Stabil, aus Metall. Past perfekt und trägt in der Hosentasche nicht auf.

moerschy / Pixabay

Der Samstag, jedenfalls, war richtig klasse. Kurzweilig und unterhaltsam. Meine Verkleidung war wieder auffällig, der eine oder andere hat möglicherweise das Foto im Instagram-Stream davon gesehen. Latex-Milch und Theaterblut machen es möglich — das gleiche Zeug aus dem letzten Jahr, es hat die Monate im Schrank unbeschadet überstanden.

Der Sonntag kam, ich kochte Borschtsch, wir hatten Besuch und spielten Exploding Kittens, Qwirkle sowie Istanbul inklusive Erweiterung. Montag, Homeoffice. Alles in Ordnung. Am Dienstag dann stand dann wieder Bahn fahren an. Dichtes Gedrängel wie üblich am Kölner Bahnsteig, zumindest seit dem Stellwerkbrand im Mülheim an der Ruhr. Meine Freude über einen Sitzplatz währte bis kurz hinter Düsseldorf. Den Platz konnte ich zwar behalten, aber der Tag war nach der Fahrkartenkontrolle für mich ruiniert. Meine wunderschöne bahn.card 100 befand sich nämlich noch genau dort, wo ich sie am Samstag hingesteckt hatte. Dabei lag das Visitenkartetui sicher auf meinem Schreibtisch — zu Hause.

Ich hatte also keinen gültigen Fahrschein. Im ICE eigentlich unproblematisch, denn man kann einen im Zug lösen, auch wenn das etwas mehr kostet. Eine Kreditkarte hatte ich sogar auch dabei, denn mit normalen Girokonto-Karten lässt sich im Zug nicht bezahlen.

Blöd ist nur, dass ich eigentlich nicht zahlen wollte, weil ich ja einen gültigen Fahrausweis hatte — nur eben nicht dabei. Zu den vorsichtigen Menschen gehörend, will ich in solch einem Fall auch nicht lange diskutieren und war bereit, den Preis für meinen eigene Blödheit zu bezahlen. Eine Mitreisender mischte sich ein. Ihm war vor ein paar Wochen das Gleiche passiert, auf dem Weg nach Berlin. Er zahlten den vollen Fahrpreis, ließ sich seinen Namen auf das Ticket schreiben und versuchte hinterher, das Geld von der Deutschen Bahn zurück zu bekommen. Lediglich aus Kulanz erstatte man ihm einen Teil des Fahrpreises, allerdings in Form von Gutscheinen. Begründung der Bahn: Es hätte ja auch jemand anderes mit dem Fahrschein fahren können.

Seine Empfehlung an mich daher: Machen Sie das bloß nicht!
Beharrlich blieb ich vorsichtig, meinte, „ich probiere das trotzdem aus und wir tauschen uns dann bei nächster Gelegenheit aus, was draus geworden war“. Der Zugbegleiter kam mit seinem neunen Gerät allerdings nicht zurecht, so dass eine ältere Kollegin mit einem ebenfalls älteren Gerät übernahm. Eine Fahrkarte wollte sie mir nicht verkaufen, sondern meinen Personalausweis sehen. Das sei die bessere Variante. Dauert auch nur etwa 10 Minuten, dann hatte ich ein Ticket mit erhöhtem Fahrpreis (60 Euro Zuschlag für Schwarzfahren) und dem regulären Fahrpreis in der Hand. Gesamtkosten bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen: 82,50 Euro. Bei Androhung weiterer Kosten, sollte ich diese Frist verstreichen lassen.

Gleichzeitig wurde mir versichert, und so stand es auch auf dem Ausdruck, ich könne innerhalb dieser 14 Tage zu einem beliebigen Fahrkartenschalter der Bahn gehen und meine bahn.card vorlegen als Nachweis, zum Zeitpunkt der Kontrolle einen gültigen Fahrausweis gehabt zu haben. Entsprechend würde dann nur eine kleine Bearbeitungsgebühr erhoben werden.

Vor Ort in Essen musste ich mir ein Kurzstreckenticket für die U-Bahn kaufen, für die Rückfahrt abends zum Bahnhof ebenfalls. Das waren dann zusammen 3,20 Euro. Nachmittags telefonierte ich dann mit meiner Frau und bat sie, mich am Bahnhof in Köln abzuholen und meine bahn.card 100 mitzubringen. Dinge die unangenehm sind schnell erledigen, damit man sie hinter sich hat — im Lauf der Jahre habe ich das gelernt.

Abends auf der Rückfahrt im ICE wurde ich dann nicht kontrolliert, was mich aber eher beunruhigte. Der ICE hält nämlich nur in Köln-Deutz, zum Hauptbahnhof fährt man rüber mit der S-Bahn. Wenn man da ohne Fahrausweis angetroffen wird, sind die Kontrolleure mit Sicherheit weniger charmant als im ICE. Fortuna war mir jedoch hold.

Am 1. Klasse-Schalter im Reisezentrum der Bahn legte ich dann meine bahn.card mit dem Ausdruck vom Vormittag vor. Die Mitarbeiterin war nett und hilfsbereit, erfasste meine Daten und anschließend musste ich dann sieben Euro bezahlen. Insgesamt also eigene Blödheit 10,20 Euro, Gesichtsausdruck dazu unbezahlbar.

Empfehlen kann ich jedem anderen Reisenden, der auch seine Fahrkarte irgendwo vergessen hat, nach meinen Erfahrungen Variante zwei. Aufschreiben lassen, als wenn man schwarz gefahren wäre und keinesfalls eine Ticket kaufen. Das Geld vorgestreckten Fahrschein wieder zu bekommen soll erheblich komplizierter sein.

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