Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Informatik ist unwichtiger Schnickschnack

Eine Pressemitteilung des Branchenverbandes BITKOM mit dem Titel „IT-Ausstattung der Schulen wird immer schlechter“ schreckte mich heute wieder hoch. Die dahinter steckende Bitterkeit bekomme ich fast täglich aus zweiter Hand zu hören, denn meine Frau ist nicht nur Lehrerin, sondern eben auch Lehrerin mit dem Schulfach Informatik. Daher weiß ich, wie treffend die Studie ist. Die Ausstattung ist zumindest in der Schule meiner Frau hoffnungslos veraltet — aus Gesprächen mit Kollegen anderer Schulen erfährt sie regelmäßig, dass es dort in den allermeisten Fällen auch nicht besser aussieht. Zusätzlich fehlen geeignete Schulbücher und Unterrichtsmaterialien. Bis beispielsweise Ersatzteile für den Robotik-Baukasten von Fischertechnik bestellt werden, vergeht zu viel Zeit. Eine vollständige Ausstattung mit dem moderneren Lego Mindstorms bewegt sich im Reich der Träume. Oftmals wird von den Lehrerinnen und Lehrer viel privater Einsatz gefordert. Auch die Anschaffung von Materialen für den Unterricht, die eigentlich von der Schule gestellt werden müssten, um adäquaten Unterricht im Fach Informatik gewährleisten zu können.

Bereits Anfang November bezeichnet der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, die technische Ausstattung der Schulen als „mittelalterlich“. Die Pressemitteilung der BITKOM schließt daran nahtlos an. Dienst-PC für jeden Lehrer gibt es genau so wenig wie etwas, was für die meisten Arbeitnehmer mittlerweile selbstverständlich ist: eine Firmen-E-Mail-Adresse, über die sie mit Kunden der Firmen im Rahmen ihrer Arbeitszeit und ihres Arbeitsauftrages in Kontakt treten können. Dieses Art der modernen Kommunikation läuft bei rund 50 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer über ihren privaten E-Mail Account. Mit anderen Worten, eine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit entfällt, als Lehrkraft ist man jederzeit erreichbar. Anders als früher wird von dieser Erreichbarkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit auch regen Gebrauch gemacht. Verbunden mit der Erwartung, dass die E-Mails tatsächlich auch gelesen und beantwortet werden. Wenn ich sehe, wann und was von Schülerinnen und Schüler alles per E-Mail an meine Frau geschickt wird, bleibt mir oftmals der Mund offen stehen. Aber nicht nur dabei.

Die Wartung des schuleigenen Computerraums erfolgt ehrenamtlich durch ein Team von Schülern unter Leitung eines Fachlehrers. Das ist auch eine Art, den Stellenwert des Informatikunterrichtes zum Ausdruck zu bringen. Eine andere Weise ist es, Lehrpersonal aller Fachrichtungen in Kurzweiterbildungen zu eine Art Informatik-Lehrer zu machen, die mindestens den Unterricht in der Unterstufe durchführen sollen. Vergleichbar ist das mit dem lesen eines Bandes von Asterix und Obelix auf Latin und den Glauben, dies reiche bereits bei ansonsten völliger Unkenntnis aus, um guten Lateinunterricht zu geben.

Es drängt sich der Eindruck auf, Informatik wäre lediglich unwichtiger Schnickschnack. Eine Modeerscheinung, die in ein paar Jahren vorbei sein wird. Schließlich gibt es auch deutlich jüngerer Kollegen und Kolleginnen meiner Frau, für die Computer und Internet ein Buch mit sieben Siegel ist — und vermutlich auch immer bleiben wird. Über pädagogische Arbeit mit digitalen Medien braucht man bei so einem Klientel nicht zu diskutieren.

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