Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ende vergangener Woche stellte Amazon ohne große Vorankündigungen ein neues Produkt vor. Ein schwarzer Zylinder, der auf dem Namen „Echo“ hört. Mit einem durchaus ansprechendem Video wird fleissig die Werbetrommel gerührt, auch wenn das Produkt zunächst nur in den USA erhältlich sein wird und das auch nur auf Einladung von Amazon.

Die Erzählperspektive im Video ist perfide gewählt. Aus der Sicht des Mädchens werden die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten vorgestellt. Echo, ein ständiger Begleiter im Alltag, der diesen erleichtern will. Schnell vergisst man dabei, dass es sich bei Amazon nicht um ein karitativ ausgerichtet Unternehmen handelt. Menschenfreundlichkeit ist kein Selbstzweck, sondern immer Bestandteil eines Geschäftsmodells.

Herzstück von Echo ist die digitale Assistentin „Alexa“, die auch Sprachkommando hin Fragen beantworten, Musik abspielen, Nachrichten vorlesen oder auch als Wecker dienen kann. Um jederzeit zur Verfügung zu hören, lauscht Alexa, beziehungsweise Echo permanent in den Wohnraum — mit einem Mikrophone, welches so empfindlich ist, dass man auch auf Distanz zu Echo nicht seine Stimme erheben muss, um vom Gerät verstanden zu werden.

Selbstverständlich behauptet Amazon, es würde nur dann Daten über das Internet ausgetauscht werden, wenn Alexa auf ihr Stichwort reagiert. Als Kunden kann man das lediglich glauben und auch hoffen, es würden dann nur die Daten an den Hersteller geschickt, die in Bezug auf die aktuelle Anfrage relevant sind.

Skeptischere Naturen neigen dagegen dazu, sich die schlimmsten Horror-Szenarien auszumalen. Nicht ganz zu Unrecht, wie ich finde. Man stellt sich ein Gerät in den eigenen Lebensraum, welches nur rein theoretisch eine akustische Totalüberwachung ermöglicht. Lässt sich ködern mit ein paar Altagserleichterungen, die bei genauerem Hinsehen er dazu dienen, Menschen zu in kleinen Schritte abhängig zu machen, zu verdummen. Vor allem aber, an ein einziges Unternehmen zu binden, denn die im Video abgespielt Musik stammt, man ahnt es wohl, von Amazons eigenen Dienst.

Jemand, der im eigenen Haushalt „lebt“, dem wir vertrauen. Der alles mithört und an eine übergeordnete Instanz weitergibt. Man benötigt gar keine Phantasie rund um das 25-jähirge Jubiläum des Mauerfalls. Die Staatssicherheit der DDR war sich nicht zu schäbig, Familienangehörige gegeneinander auszuspielen und Lebenspartner als Informelle Mitarbeiter anzuwerben. Was damals menschlicher Arbeitskraft erledigt wurde, schafft heute die Technik. Und einen weiteren Unterschied gibt es noch. Während man es in der DDR mitunter nur vermutet hatte, oft nicht wusste, wer der Spitzel in der Mitte ist, stellt man sich Echo bei voller geistiger Gesundheit ins Wohnzimmer.

2 Kommentare

  1. Ich bin selbst viel zu technophil und schlichtweg neugierig, um sowas per se zu verdammen. Es ist grundsätzlich toll, was wir mittlerweile so alles machen können und zwar nicht mehr nur als Vorführmodelle, sondern für den Massenmarkt. Bei den Jetsons fanden wir sowas immer grandios und träumten von der Zukunft.

    Jetzt haben wir solche Sachen endlich und mir fallen auch tausend Gelegenheiten ein, wo so ein Dingsbums nicht deplatziert ist, sondern wunderbar praktisch.

    Das eigentlich Traurige ist, wie sehr uns der mögliche Missbrauch nicht nur theoretisch angedeutet, sondern lebhaft vor Augen geführt und durchexerziert wurde. So lange, dass wir nichts und niemandem mehr trauen können, dürfen und auch nicht mehr wollen.

    Schade eigentlich. In einer besseren Welt würde ich mir das Ding jetzt bestellen.

    1. Grundsätzlich gehöre ich ja auch zu den Geeks. Bei mir reicht es, auf etwas „Neu“ drauf zu schreiben, um einen Kaufimpuls auszulösen. Es gibt aber auch Momente, in denen sich bei mir das was gemeinhin als „gesunder Menschenverstand“ bezeichnet wird, durchsetzt. Bei Echo war das auch der Fall. Wir Deutschen sind aus vielen Gründen deutlich skeptischer.

      Von einer besseren Welt sind wir leider ja ziemlich weit entfernt :-(

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