Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Anne hat sich auf ihrem Blog neontrauma.de Gedanken zum Thema „Bezahlen für digitale Inhalte?“ gemacht. Nicht nur wegen des Backlinks auf einen meiner Artikel, sondern auch wegen des Themas generell ist das für mich Anlass, auch einen Artikel über unsere Bereitschaft, digitale Artikel zu kaufen, zu schreiben. Wobei es nicht um die generelle Bereitschaft zum Kauf geht, sondern darum, wie viel wir bereit sind für digitale Inhalte zu bezahlen.

Das Internet hat, machen wir uns nichts vor, einer gewissen Gratis-Kultur Vorschub geleistet. Man will Informationen und Inhalte nicht nur sofort, sondern auch kostenlos. Gerade die Zeitungsverlage haben, auch wenn sie es nicht gerne hören, ein großes Stück dazu beigetragen. In dieser Woche feiert Spiegel Online sein 20. Jahr (nebenbei bemerkt, ich kenne SPON seit dem). Nachrichtenhalte kostenlos, so kennen wir das. Ob beim Spiegel, bei der Süddeutsche Zeitung oder beim Kölner Stadt-Anzeiger. Plötzlich stellt man jedoch fest, man würde gerne mit seinem Online-Inhalten mehr Geld verdienen, vor allem deshalb, weil Bezieher der kostenpflichtigen Prinz-Ausgabe zunehmen ins Netz abwandern, wo es die gleichen Inhalte schließlich gratis gibt.

Kostenlos ist das neue Sexy

Kostenlose Inhalte aus dem Internet, das ist so was wie eine Tradition. Und gegen Traditionen zu kämpfen, war noch nie besonders leicht. Bei den kostenlosen Inhalten, die man aus dem Internet bezieht beziehungsweise beziehen kann, gibt es jedoch ein klassisches Missverständnis. Nichts ist wirklich kostenlos — oder sagen wir, die wenigsten Dinge sind wirklich ohne das jemand dafür bezahlt erhältlich. Wenn nicht mit Geld bezahlt wird, dann mit Daten oder Zeit. Auch Tools wie das von Anne erwähnte Gimp kosten etwas, nämlich die Zeit der Menschen, die das Programm weiterentwickeln. Selbstlosigkeit ist eine seltene Gabe, daher sind wir meisten wenn nicht auf den eigenen Vorteil dann zumindest an einem Ausgleich interessiert. Oder sollten es zumindest sein. Ansonsten besteht nämlich die Gefahr, dass die kostenlose Dienstleistung oder das Produkt in naher Zukunft nicht mehr zur Verfügung steht. Aus dieser Einsicht heraus hat bei mir die Zahlungsbereitschaft in den letzten Jahren erheblich zugenommen.

Hinter digitalen Produkten oder Informationsangeboten stecken Dienstleistungen, die von Menschen gebracht werden. Diese Menschen müssen genau wie wir alle ihre Rechnungen bezahlen, wollen essen und vielleicht sogar manchmal in den Urlaub fahren.

Dienstleistungen haben einen Wert, den ich auch generell bereit bin zu zahlen. Allein auch deshalb, weil ich in einer Internetagentur arbeitet und das Thema Preise und Wertschätzung aus vielen Kundendiskussionen kennen — nach wie vor gibt es die Vorstellung, digitales wäre weniger wertvoll als etwas, was sich anfassen lässt. Kunden zahlen für eine einmalige Zeitungsanzeige einen horrenden Betrag, sind aber erstaunt, wenn für eine neue Webseite ein vierstelliger Betrag aufgerufen wird.

Qualität ist sicher ein Kriterium, mit dem man seine Bereitschaft, für etwas einen bestimmten Betrag (oder überhaupt etwas) zu zahlen, messen kann. Für ein schlechtes Produkt / Dienstleistung wird man wenig bis gar nichts ausgeben wollen. Gleichzeitig gibt es aber genügend Dinge, die ziemlich perfekt auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sind und kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Für mich gibt es ein besseres Kriterium, welches auch Anne etwas versteckt durchscheint: die Brauchbarkeit zur Erfüllung bestimmte Bedürfnisse
Erleichtert mir etwas meinen (Arbeit-)Alltag, bin ich auch bereit, dafür zu bezahlen, eben weil es einen Mehrwert für mich gibt. Hier spielt das persönliche Wertesystem eine entscheidende Rolle.

In meiner Jugend haben wir im Freundeskreis eine eigene Berechnungsgrundlage aufgestellt. Maßstab war ein Kinobesuch, der damals noch 8 DM kostetet. Für den Preis bekam man 90 bis 120 Minuten Unterhaltung geboten. Dann ist der Film zu Ende und das Geld weg. Ein Kinobesuch heute kostet 8 Euro aufwärts. Die Filmlänge hat sich im Vergleich zum Preis nicht großartig verändert, nur die Länge des Werbeblocks hat zugenommen. Nehme ich die Kosten für einen Kinobesuch als Maßstab, erscheinen mir persönlich die Preise für iOS Apps als geradezu lächerlich. 89 Cent für eine App, an der jemand vielleicht zwei Jahre programmiert hat? Heftig, finde ich. So was lohnt sich nur, wenn man sehr  viel davon verkauft. Was im Übrigen auch viel Bücher bei amazon gilt, die Selfpublisher „verramschen“.

Ich fange nicht zu schreiben an, wenn eine App 10 Euro oder mehr kosten soll. Für SmartGo Kifu habe ich 17 Euro bezahlt, nein falsch, gerne bezahlt. Weil ich die App nutzen, weil es mir die App wert ist und weil ich möchte, dass der Entwickler motiviert wird, die App auch weiter zu entwicklen und Produktpflege zu betreiben.

2 Kommentare

  1. Viele Alternativen sein Blog bzw. Artikel oder Fotostrecken zu mo­ne­ta­ri­sie­ren scheint es im deutschsprachigen Raum nicht zu geben. Den üblichen Linktausch und Werbemüll kannste in die Tonne kloppen. Tinypass kommt aus den USA und ist auch nicht das was ich mir vorstelle. Laterpay käme in die engere Wahl, wenn man dafür keinen Gewerbeschein bräuchte.

    1. Wobei es immer auch die Frage ist, ob und was man genau mo­ne­ta­ri­sie­ren will — bei mir gibt es für den Blog hier keinen Bedarf, zumindest vorerst. Und finanziellen Optionen haben natürlich auch noch eine andere Seite: Wird ein Blog kommerziell, schauen man anders darauf.

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