Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Das moralische Dilemma der Linkspartei

Immer häufiger komme ich an den Punkt, wo ich über Pazifismus und bestimmte, damit verbunden moralische Vorstellungen nachdenken muss. Um damals Zivildienst leisten zu dürften, musste man seine Gewissensentscheidung schriftlich begründen. Also ausführlich darlegen, warum man den Dienst mit der Waffe verweigert. Krieg und Gewalt waren für mich damals keine Lösung — und sind es heute immer noch nicht.

Dennoch, eine sich veränderte Situation erfordert Umdenken. Geäußert hatte ich mich bereits von wenigen Wochen zum Thema „Pazifismus als Selbstzweck„. Wer am bedingungslosen Pazifismus in wirklicher jeder Situation festhält, steht mehr den je vor einem Dilemma. Terroristische Gruppen wie der Islamische Staat (IS) schweren sich nicht um die Moral und Ideale andere Menschen. Wehrlose, Kinder und Frauen werden abgeschlachtet, weil sie eine andere Meinung haben, einen anderen Glauben oder was auch immer. Der Gegner wird getötet obwohl, sogar gerade weil er kapituliert. Was derzeit im Irak an Grausamkeiten passiert, ist unbeschreiblich.

Lediglich mit humanitären Hilfsgüter von der sicheren Ferne zur Seite stehen, wird die Gewalt nicht beenden. Das scheinen auch Politiker der Linkspartei wie Gregor Gysi mittlerweile eingesehen zu haben. Er fordert einen möglichen Kurswechsel seiner Partei, was jedoch auf wenig Gegenliebe stößt. Auf der anderen Seite lässt sich die Position, keinen Waffen in Krisengebiete zu liefern, nachvollziehen. Liefert man jedoch keine Waffen, müsste man sich direkt militärisch beteiligen, bis hin zur Entsendung von Bodentruppen. Für so was würde selber Gysi sicher nicht die Hand heben. Während hierzulande debattiert wird, was moralisch vertretbar ist, sterben jedoch im Irak Menschen. Der SPD-Politiker Gabriel sprach sogar von einem Völkermord.

Pazifismus sei eine Haltung, die Krieg ablehnen, ist bei Wikipedia zu lesen. Was aber wenn es kein Krieg gibt, sondern „nur“ Terrorismus und Völkermord? Wie positioniert sich der Pazifist dann?

Unsere Vorstellung von Gewaltfreiheit und vom Verzicht auf den Einsatz von Waffen ist möglicherweise verankert in dem Bild einer symmetrischen Kriegsführungen. Zwei Parteien, möglicherweise annähernd gleichstark, die um die Vorherrschaft von was auch immer ringen und sich dabei an gewisse Regeln halten. Zum Beispiel die, Konvois vom Roten Kreuz nicht anzugreifen. Bei Staaten würde man davon ausgehen, dass sie einen Waffenstillstand vereinbaren könnte. Oder aber eine Partei kapituliert und nicht mit ihrer vollständigen Vernichtung rechnen muss, wenn sie die Waffen niederlegt.

Auch der Grünen-Politiker Ludger Volmer hat sich dazu seine Gedanken gemacht und stellt fest: „Pazifismus heute kann militärische Gewalt als Ultima Ratio, als letztes Mittel, nicht leugnen…“. Wenn alle anderen Optionen versagen, muss es legitim sein, militärisch einzugreifen. Wer bei der Ermordung von Jesiden und anderen Bevölkerungsgruppen im Irak tatenlos zusieht, macht sich mitschuldig am Völkermord. Sich das vor Augen zu führen, obliegt nicht nur der Linkspartei, sondern auch allen anderen Politikern quer durch die anderen Parteien.

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