Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wer länger in Köln lebt lernt, dass zwar der Rhein an der Domstadt schnell vorbei fließt, die Mühlen aber ansonsten langsam mahlen. Insbesondere gilt das, wenn es um Bauprojekte geht. Das hat, wie man vom Kölner Dom weiß, Tradition, denn dieser wurde nach 632 Jahren Bauzeit fertig gestellt.

Mit Änderungen tut sich der Köln recht schwer. Meistens folgt seine Reaktion auf Neuerungen ein ganz bestimmten Schema. Erst wird es komplett abgelehnt, dann vehement bekämpft um schließlich nach Fertigstellung über alle Maßen überzeugt davon zu sein, wie viel besser Köln dadurch geworden ist.

Kommen wir aber vom Allgemeinen zum Konkreten. Die Sparda-Bank West will der Stadt Köln ein Kunstwerk schenken. Aufgestellt werden soll es hinter dem Hauptbahnhof, auf dem neu gestalteten Breslauer Platz. Über Kunst an sich kann man trefflich streiten. Böse Zungen behauptet schließlich immer, dass Kunst nichts mit Können zu tun habe, denn andernfalls hieße es Kanst und nicht Kunst. Wie dem auch sei, eine von Rita McBride, Rektorin der Düsseldorfer Kunstakademie, gestaltete Werk soll seine Heimat auf dem Platz finden. Das erste Problem dürfte wohl der Sitz der Kunstakademie sein. Ein Kunstwerk aus der Stadt weiter unten am Rhein ausgerechnet an zentraler Lage in Köln unterzubringen, scheint schon ein gewagtes Unternehmen zu sein. Andererseits gibt es auch in der Domstadt Toleranz.

Dennoch stößt das Kunstwerk in der Kölner Politik nicht auf breite Zustimmung und Gegenliebe. So hat sich die Bezirksvertretung Innenstadt mehrheitlich dagegen ausgesprochen. Nur wer die Ilii persis oder andere Geschichten über den Kampf um Troja und der List von Odysseus nicht kennt, wird ernsthaft behaupten, dass man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen soll.

Der durchschnittliche Bildungsbürger dagegen wird hellhörig und schaut genauer hin, wenn es um ein „Kunstwerk“ geht. Ein glitzernder Obelisk, neun Meter hoch. Ein Gebilde aus karbonfaserverstärktem Kunststoff, mit glänzender Oberfläche versehen, welches auf vier Kugel steht, die wiederum auf einem Betonsockel aufliegen. Es soll, so ist zu hören, eine Markierung im Raum darstellen. Schon gesagt, aber interessanter wird es doch, wenn man sich mal zu Gemüte führt, was ein Obelisk eigentlich tatsächlich bedeutet.

Der Obelisk ist ein Phallussysmbol, welches für Zeugungskraft, Fruchtbarkeit, Potenz und Macht steht. Ein heidnisches Symbol im katholischen Köln, in der Nähe zum Dom? Fast kann man die Ablehnung der Bezirksvertreter verstehen. Wer will schon einen Phallus neben dem Hauptbahnhof haben, gerade wo der Breslauer Platz so schön geworden ist und Köln sich bemüht, auch das verrufene Eigelstein-Viertel wenn schon nicht zur gute Stube, denn zumindest zu einem „anständigen“ Veedel zu machen. Aus der Historie heraus würde der Phallus schon ziemlich gut auf den Breslauer Platz passen.

Möglicherweise ist der Obelisk aber auch als Anspielung auf den Geber zu verstehen. Schaut her, wie viel Potenz und Macht Geld verleiht, könnte er zum Ausdruck bringen. Für alle Seiten wäre es wohl das Einfachste, man würde einen Kompromiss finden. Man lässt den oberen Teil weg und eignet sich auf den Betonsockel. Das Kunstwerk bekäme dann anschließend einen neuen Namen: „Unfertiges Bauwerk“ — denn davon gibt es in Köln reichlich, so dass das Kunstwerk nun wirklich eine ironische Referenz wäre.

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