Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Parteikonvent der SPD vom vergangenen Freitag deutet die neue Marschrichtung an. Langsam aber zögerlich steuert die Partei auf eine Große Koalition zu, obwohl eigentlich niemand diese zu wollen scheint. Zitternd schaut man Richtung Grüne, denn die könnte schließlich auch mit der Union. Die Hoffnung der Genossen auf Schwarz-Grün ist dabei eher ein feiges Eingeständnis. Statt den Mut zu haben und zu sagen, man wolle keine Große Koalition, schiebt man dann die Grünen vor. Der Freitag hat allerdings gezeigt, was die führenden Genossen in Berlin für richtig erachten.

Die Parteispitze ist offensichtlich gewillt, sich wieder im Glanz einer Regierungsbeteiligung sonnen zu dürfen. Insbesondere Sigmar Gabriel wirkt wie jemand, der mit aller macht zurück in die Bundesregierung will. Peer Steinbrück steht vor dem freiwilligen Ende seiner politischen Karriere. Die Troika aus Steinbrück, Steinmeier und Gabriel war von Anfang an eine Illusion. Die Niederlage von Steinbrück ist etwas, was Gabriel Morgenluft wittern lässt. Seine Stunde scheint gekommen zu sein, wenn denn der Kurs stimmt. Dabei sind zwei Drittel der Mitglieder gegen eine Große Koalition – aus gutem Grund fürchten sie Zerpulverung der Sozialdemokratischen Partei. Position und Überzeugungen sind keine Ware, auf die man beliebig Rabatte geben kann.

Zunächst ist geplant, Sondierungsgespräche mit der Union zu führen. Der Parteikonvent am Freitag hat diese Marschrichtung beschlossen. Wenn die Gespräche zeigen, dass sich Koalitionsverhandlungen lohnen soll die Basis eingebunden werden. Ergebnisoffen kann dies nur dann sein, wenn niemand aus der Parteispitze ein politisches Schicksal mit dem Ausgang der Abstimmung durch die Basis verbindet, denn das wäre Erpressung der Mitglieder. Andererseits könnte die Parteibasis genau das als Chance begreifen um endlichen die Signale zu setzen für einen Neuanfang. Der ehemalige Wunschkoalitionspartner, die Grünen, zeigt, wie so was möglicherweise aussehen könnte.

Aus Bayern meldete sich Horst Seehofer von der CSU zu Worte. Er kritisiert die SPD und fordert zügige Verhandlungen. Ein Abstimmung bei der SPD durch die Basis hält er für überflüssig. Zudem habe der Bürger bei der Bundestagswahl klar zum Ausdruck gebracht, welche Präferenzen er habe. Möglicherweise beruht diese Erkenntnis auf anderen, nur in Bayern verwendeten Stimmzetteln, wo man neben der Partei auch gleich noch mögliche Koalitionen ankreuzen kann.

Horst Seehofer ist nicht Generalsekretär der SPD. Empfehlung seinerseits, wie die Sozialdemokraten zu verfahren haben, sind daher fehl am Platz. Wenn er unbedingt wieder nach Berlin will, soll er sich ein Zugticket, Mietwohnung und Geliebte besorgen. Die SPD kann auf seine Ratschläge verzichten. Zu behaupten, Gabriel wäre der bessere Kanzlerkandidat gewesen, ist mieses Nachtreten und verbietet sich, wenn man über Anstand und politische Fairness verfügt. Insbesondere der Vergleich von Seehofer der Sozialdemokraten mit verschreckten Hasen ist mehr als unangemessen.

Die verschreckten Hasen blicken stolz eine Tradition mit Rückgrat, bei der jemand wie Otto Wels sich nicht von irgendwelchen Zwängen verleiten ließ, sondern zu seiner Überzeugung stand. Genau dran sollten man sich in der SPD auch heute wieder erinnern. Es gibt kein Automatismus für eine Große Koalition genauso wenig wie die Notwendigkeit, zum „Wohle des Landes“ eine solche Koalition einzugehen. Die Behauptungen derer, die sich zum Wohl für Deutschland für eine Koalition der SPD mit der Union aussprechen, fußen zuallererst auf Eigeninteressen. Mahnung, die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hätten sich quasi für eine solche Konstellation in der Bundesregierung ausgesprochen sind genauso seriös wie Kaffeesatzleserei.

Die Mitglieder der SPD haben ein Recht darauf, darüber zu entscheiden, ob sie eine Große Koalition befürworten oder nicht. Schließlich ist es genau diese Basis von 480.000 Mitgliedern, die diese Partei ausmachen. Mandaten für Funktionsträger gibt es, aber in Bezug auf die Große Koalition kann es keinen Freifahrtscheine geben. Vor allem nicht deshalb, weil die Stimmung an der Basis in eine ganze andere Richtung zeigt. Und dort liegt nicht die Große Koalition. Ohne Urabstimmung wird nicht nur der Partei die Basis wegbrechen, sondern bei der nächsten Wahl auf die Wähler. Somit wäre ein von oben verordnete Große Koalition die beste Methode, sich als Volkspartei zu verabschieden und zu einer reinen Funktionspartei zu werden – so wie die FDP, deren Schicksal bekannt sein sollte.

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