Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Verkaufsschlager Vegane Kochbücher

Noch in den 90er Jahren des letzten Jahrtausends gab es in Bezug auf Essen eine Einteilung in drei Basis-Typen. Normale Menschen, Sonderlinge und die Verrückten. Normal waren selbstverständlich diejenigen, die alles das aßen, was Muttern auf den Tisch stellte. Entweder ganz freiwillig oder motiviert durch den mit drohendem Unterton geäußerten Satz „Gegessen wird, was auf den Tisch kommt!“.

Sonderlinge waren dann die, welche sich bei der Nahrungsaufnahme anstellten. Also zum Beispiel keine Erdbeeren mochten, lustige Muster mit der Kabel in „Möhren untereinander“ zogen oder nicht einsehen wollten, dass Spinat gesund ist. Letzteres taugt mittlerweile als Lieblingsbeispiel, um die Unsinnigkeit der Tischdiktatur und der Ernährungsirrtümer deutlich zu machen. Den Rest bezeichnete man als Verrückte. Unabhängig davon, ob sie morgens Müsli aßen, auf Fleisch verzichteten oder gar ganz schlimm, jegliche Form der Ausbeutung von Tieren ablehnten.

Nach und nach verschoben sich die Definitionsgrenzen. Auf einmal galt man, sofern man sich zu den Vegetariern zählte, nur noch als Sonderling. Normal war die Ernährungsform zwar immer noch nicht, aber zumindest stand man. Nicht mehr mit einem Bein in der geschlossenen Abteilung der Landesklinik. Die Plätze dort hielt man für die so genannten Veganer warm. Veganer galten in den Augen des Durchschnitts-Essers als militante Sektenangehörige, von denen man annahm, sie würden als nächstes die Photosynthese zur einzig wahren Ernährungsweise erheben.

Neuzeit. Schaut man sich mittlerweile um, hat sich einiges erheblich geändert. Wer Fleisch isst, wird manchmal angesehen als ob er zum persönlichen Vergnügen kleine Kinder im Keller halten würde. Vegetarier dagegen sind voll im Mainstrem angekommen. Die Veganer haben eine Zustand, den man böswillig als „Nicht Fleisch, nicht Fisch“ bezeichnen könnte. Wobei, das ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Glaubt man dem Buchreport, dann haben Bücher über vegane Ernährung längst die Nische verlassen und mausern sich zum Bestseller. Zumindest für die Filiale der Mayerschen in Essen-Rüttenscheidt kann das bestätigt werden. Dort findet man vor lauter Fleischlos-Glücklich-Lektüre kein anständiges Weber-Grillbuch mehr (wobei selbst Weber vom Fleisch abgefallen ist mit seinem Buch „Weber vegan“).

Bei Titel wie „Vegan for fit“ und „Vegan for fun“ fragt man sich, was man selber früher falsch gemacht hat. Veganer gehören nicht zu denen, die die coolsten Frau abgeschleppt haben, sondern die – siehe oben. Ich für meinen Teil kann mich noch gut daran erinnern, als Vegetarier sogar von der eigenen Familie wie Aussätziger behandelt worden zu sein (gut, ich übertreibe der Dramtik zu liebe). Wobei, ich will mich nicht beschweren, zumindest habe ich auf diese Weise gelernt für mich selber zu kochen. Und mittlerweile bekomme ich auch das perfekte Steak zustande, aber das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte.

Bleiben wir bei den Vegangern. Auf der einen Seite freut es mich, wenn Menschen sich bewusster ernähren. Ebenfalls zu begrüßen ist es, wenn eine Auseinandersetzung mit dem erfolgt, was uns als angebliches „Essen“ vorgesetzt wird. Trotzdem bleibe ich skeptisch, um nicht zu sagen, es ist eher eine Modeerscheinung, die meiner Meinung  auch wieder irgendwann vorbei ist. Richtig vegan leben erfordert konsequentes Handeln, vor allem aber auch Verzicht. Und der hört nicht beim Essen auf. Adieu Lederschuhe, bye bye Pullover aus Schafwolle. Der völlige Verzicht lässt sich nur dann durchhalten, fürchte ich, wenn man dogmatisch wird. Dabei besteht dann allerdings die Gefahr, zumindest zu einem Sonderling zu werden.

Allerdings kann ich mich auch irren, und das letzte Steakhaus auf deutschen Boden schließt in ein paar Jahren mangels Kundschaft. Für den Fall sollte ich mir dann schon mal ansehen, unter welchen Bedingungen man in Argentinien Asyl beantragen kann, denn das dort auf Fleisch verzichtet wird, ist ähnlich wahrscheinlich wie eine Tofu-Wurst, die kein Widerspruch in sich ist. Wenn vegane Ernährung schon im Mainstream ankommt, die Bücher darüber aus der Schmudellecke der Bio-Läden in den Premium-Bereich von Buchländen landen, ist alles möglich.

2 Kommentare

  1. Also ich weiß ja nicht wo du dich so aufhältst, aber im Mainstream angekommen ist die vegane Ernährung in Deutschland ganz sicher nicht! Im Gegenteil! Auf jeder Party die selben Diskussionen. Und von wegen Fleischesser werden komisch angeguckt! ;-) Es ist so wie mit dem Alkohol: Konsumiert man die Droge, gilt man als normal. Konsumiert man sie nicht, wird man schräg angestarrt. Das führt gern mal zum völligen Ausschluss aus dem Kreis der (Party)Gesellschaft. Dass der Veganismus auch eine Modeerscheinung darstellt mag sein. Wobei mir ehrlich gesagt strunz egal is warum die Menschen keine tierischen Produkte essen – Hauptsache sie tun es nicht. Und wie „extrem“ man sich wirklich vegan durch das Leben schlängelt kann ja immer noch jeder selbst entscheiden. Ich für meinen Teil würde zum Beispiel nicht gleich meine Ledertasche wegschmeißen – mir aber vielleicht keine neue mehr kaufen. Komplett vegan kann man in Deutschland übrigens nicht Leben. Das ist unmöglich.

    1. Ich denke, grundsätzlich sind unsere Ansichten gar nicht so verschieden – auch wenn ich mich nicht vegan, nicht mal vegetarisch ernähre. Die Motivationen dahinter kann ich nachvollziehen, schließlich habe ich mich selber mal so ernährt. Aus der Phase weiß ich auch, wie die Umwelt auf einen reagiert. Und di kannst mir glauben: in den 90er war das deutlich krasser als derzeit.

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