Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Seit dem wir, also meine Frau und ich, in Köln wohnen, ist mir die Rolle eines Eventmanagers zugefallen. Veranstaltungen, die wir gemeinsam besuchen (wobei es auch welche gibt, wo ich alleine hingehe, was sich gleich erklären wird), werden von mir heraus gesucht, gebucht und im Kalender eingetragen. Das ich mich um den Orga-Kram kümmere, hängt mit der zeitlichen Auslastung meiner Frau zusammen. Als Lehrern Vollzeit zu arbeiten und gleichzeitig noch als Quereinsteigerin das zweite Staatsexamen nachzuholen, geht an die grenzen der Belastbarkeit. Und zwar bei jedem, der den Quereinstieg in die Schule wagt. Soll aber hier nicht Thema sein, ich wollte es nur am Rande erwähnen. Als Einleitung, die ein Lektor, sofern es ihn hier im Blog geben würde, vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken gestrichen hätte.
Jedenfalls, was die Auswahl der Events angeht vertraut mir meine Frau blind. Das ist gut so und beruhigt mich. Andererseits macht es mich auch etwas nervös. Den ich neige dazu, gerade auch bei Lesungen Autoren auszusuchen, die mir bis dato unbekannt sind. Von denen ich weder die Vita kennen noch irgendeines ihrer Bücher gelesen haben. Eine literarisches Überraschungsei, wenn man so will.

Genau so ging es mir auch bei Elisabeth Hermann, die gestern in der Mayerschen Buchhandlung in Düsseldorf lesen sollte. Krimilesung im Rahmen des alljährlichen Bücherbummels in der Landeshauptstadt. Da ich kein gebürtiger Kölner bin, habe ich keine Vorbehalte und fahre dann auch schon mal rheinabwärts, wenn es da interessantes gibt. Selbst wenn es nur auf Verdacht geschieht, da ich, wie gesagt, nichts über Elisabeth Hermann wusste. Vor unterließ ich es auch, diese Wissenslücke zu füllen – schließlich öffne ich Weihnachtsgeschenke auch erst am 24. Dezember, weil ich Überraschungen mag – meistens, man sollte das auf keinen Fall überstrapazieren.

Also Frau Hermann mit einer Lesung aus ihrem neusten Buch (was zumindest zum Rückschluss führt, dass sie vorher schon geschrieben haben muss und das auch nicht ganz ohne Erfolg) „Das Dorf der Mörder„.

Selbst wenn man von einer Autorin oder einem Autor vor seiner Lesung nichts weiss, ist man nie unbefangen. Gerade dann nicht, wenn man selber schreibe und wie in meinem Fall das ausgerechnet auch noch Krimis sind. Bei der ersten Szene lauschte ich mit gespitzten Ohren, versuchte nicht nur der Handlung zu folgen sonder auch gleichzeitig ein Gespür für den Text, den Stil der Autorin zu bekommen. Und eben auch, mein persönlicher Tick, auf logische Fehler zu achten. Mir fallen mittlerweile Dinge auf, die jemand anderem aus dem Publikum unter Umständen selbst dann nicht auffallen würde, wenn er das Buch zu Hause selber liest.

Daher breitet sich bei mir nach dieser ersten Szene Skepsis aus. „Na das kann ja was werde. Was habe ich mir bloss dabei gedacht.“ Nichts, natürlich, wäre die Antwort, aber das wissen wir bereits aus der Einleitung. Kurz Einstieg zum Buch: es geht um einen grausamen Mord im Berliner Tierpark, statt der Leiche wird erstmal nur eine Hand im Gehege gefunden, vor Ort ist als Erste die Streifenpolizistin Sanela Bear (deren Name für mich problematisch blieb, denn ich dachte ständige an die Margarine, auch wenn diese sich mit zwei l schreibt).

Vorabinfo von Sanela war die, dass sie Strafzettel verteilt. Dabei entstand nicht nur bei mir, sondern auch anderem im Publikum, wie ich aus Gespräche nach der Veranstaltung erfuhr, der Eindruck, Sanela sei Politesse, denn zumindest in Nordrhein-Westfalen ist die Polizei in der Regel nicht für Falschparker zuständig. Handlungssprung. Sanela ist am Fundort der Leiche und wir von Kriminalhauptkomissar Gehring zum Kaffee holen geschickt. Für mich ein sehr tiefer Griff in die Klischee-Kiste. Beim Kaffee holen trifft Sanela auf Charlotte Rubin. Während Rubin verschwindet, um für die Polizistin freundlicher Kaffee aufzutreiben, betritt diese einen Bereich im Zoo, der für die Öffentlichkeit gesperrt ist. Die Stimmung wird unheimlich, Blätter rascheln und sie steht mit der überraschend wieder aufgetauchten Rubin vor einer Stahlkiste zu der auch ein Spind gehört:

Die Frau ging zum Stahlspind und öffnete die Tür. In dem Schrank stand eine Gasflasche. Sanela legte die Hände an den Gürtel. Das sah noch nicht bedrohlich aus, aber sie war näher an ihrer Dienstwaffe.

Vorher nach davon ausgehen, das Sanela eine Politesse ist, hat diese plötzlich eine Dienstwaffe. Ungewöhnlich, wäre mir wohl nicht merkwürdig vorgekommen, wenn ich die geraffte Szene vollständig selber gelesen hätte, weil dann die Vorstellung, Sanela sei eine Politesse nicht vorhanden gewesen wäre. Wie dem auch sei, ob gehört oder gelesen, folgt dann kurz darauf das:

Die Gurte des Pistolenholsters schnürten sich eng um ihre Brust.

Befindet sich der Pistolenholster am Gürtel der Dienstkleidung, was bei Streifenpolizisten immer so ist, gibt es nichts, was sich um die Brust von Sanela hätte schnüren könne. Das wäre dann ein Holster, wie ihn zum Beispiel Beamte der Kriminalpolizei verwende, die ihre Dienstwaffe nicht am Gürtel tragen.

Ein kleiner Unterschied, vielleicht auch Haarspalterei, ja. Mir sind aber solche Details wichtig. Vor allem da ich weiss, wie sehr sich Polizisten über so etwas ärgern, wenn sie denn Krimis lesen.

Die weiteren Szene, die Frau Hermann vorlas, bestätigten meine Befürchtung zum Glück nicht. Das was sie vortrug empfand ich als spannend, teilweise auch humorvoll im positiven Sinne -mit Elisabeth Hermann teile ich die Einschätzung, dass so etwas durchaus im auch im Krimi eine Berechtigung hat, eben weil das Leben nicht immer Bierernst ist, selbst wenn es Tod und Verbrechen geht. Humor hilft unter anderem Betroffene, mit einer Situation, die eigentlich über das, was sie verkraften könne, überhaupt erst ertragen zu können.

Empfunden fast genau so lang, wie Frau Herman aus ihrem Buch vortrug, plauderte anschließen locker mit dem Publikum. Toll war ihre Antwort auf die Frage, wie sie denn zum Krimi gekommen sei. Als Journalistin wollte Frau Hermann ursprüngliche eine Reportage Zwangsarbeiter im Dritten Reich machen, konkreter über Mädchen und junge Frauen, die als Kindermädchen arbeiten mussten. Ein Stück verdrängte Geschichte. Das wollte aber weder jemand hören noch senden. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, diese ihr wichtige Thema unterzubringen, stolperte sie über das Genre „Krimi„. Ein Rahmen, um ihr Thema auf andere Art auszuarbeiten.

Mir macht das wieder deutlich, dass Krimis mehr sind als plattes Lokalkolorit, sondern eine sehr politische Sachen sein können – wenn man ihnen die Chance dazu gibt.

Insgesamt empfand ich den Abend als äußerst kurzweilig. Mich machte die Veranstaltung nicht nur neugierig auf das Buch von Elisabeth Hermann, sondern auch auf das, was sie sonst noch macht. Ihr Eintrag bei Wikipedia zeigt trotz seiner Kürze das Bild einer bewegenden Biographie, die wiederum Auswirkungen auf die Art, wie Frau Hermann schreibt, hat. Das Schwierigste wird jetzt sein zu entscheiden, ob ich „Das Dorf der Mörder„, ihr letztes Buch, zu erst lese oder aber mit „Das Kindermädchen„, ihrem ersten veröffentlichten Buch, anfange. Beides lockt.

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