Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Zu den Dingen, die man als Autor lernen sollte, gehört unbedingt auch die Bedeutung von Recherche. Sie zu überschätzen ist fast unmöglich.

Es sind die Details, die eine Handlung lebendiger, intensiver wirken lassen. Fatal ist es nur, wenn die Details Fehler enthalten. Wenn es im Krimi einen Handlungsort nicht mehr gibt. Eine Straße, die mittlerweile ins Nirgendwo führt und andere hässliche Dinge, die den Leser aus der Fiction katapultieren. Dann steht nicht mehr der Fortgang der Geschichte im Raum, sondern lediglich die Frage, wie der Autor überhaupt auf die Idee kommen konnte, einen Springbrunnen auf den Marktplatz zu setzen, wo es dort doch nie einen gab.

Leser, die der Frage nach der Plausibilität nachgehen, sind für die Handlung verloren. Schlimmer noch, wenn sie anfangen an der Glaubwürdigkeit des Autors zu zweifeln, hat dieser ein echtes Problem.

Im Internetzeitalter mit so hilfreichen Quellen wie Google Maps und Wikipedia, erliegt man als Autor schnell der Illusion, die Recherche bequem vom heimischen Schreibtisch aus erledigen zu können. Für einen gewissen Prozentsatz der Nachforschung mag dies auch zutreffen. Aber nichts, rein gar nichts ersetzt die Recherche vor Ort.

Entfernung auf der Karte verhalten sich in der Realität anders. Zudem verändern sich Orte. Auf 20 Jahre altes Wissen zu bauen bietet sich selbst dann nicht an, wenn man die Handlung in die Vergangenheit verlegt.

Für „Altmetall am Altrhein“ war ich zum ersten Mal unterwegs auf den Spuren meines Ermittlers. Die Realität hat mich quasi eingeholt. Vieles habe ich mir beim schreiben anders vorgestellt. Vor allem habe ich mir Xanten, einer der Handlungsorte, erheblich größer vorgestellt.

Als Autor sollte man vorsichtig mit der Beschreibung von Orten sein, die man nicht aus der eigenen Erfahrung kennt. Bei Xanten war ich mir sicher, dass ich die Stadt einigermaßen gut kenne, denn schließlich habe ich einen Teil meines Zivildienstes dort verbracht. Das liegt aber eben Jahre zurück. Insofern konnte ich mich glücklich schätzen, meinen Kiefer zumindest sofern unter Kontrolle zu haben und nicht mit offen Mund durch die Gegend lief.

Die Erinnerung trügt, so viel wurde mir schnell klar. Zusätzlich hat sich Xanten, insbesondere auch das APX, weiterentwickelt. Der Archäologische Park ist enorm gewachsen, Straßen wurden dafür verlegt. Ein Museum gibt es an der Stelle, wo ich es in Erinnerung hatte, gar nicht mehr.

Im Rahmen der Überarbeitung werde ich einiges anpassen müssen. Gerade auch die Zeit, die eine Figur von A nach B benötigt, wirkt sich essentiell auf die gesamte Handlung aus. Das mein Antagonist beim heraustreten aus seinem Hotel einen Polizisten nach einem Restaurant fragt, obwohl er gerade vor einem steht während ein zweites in sein Sichtbereich liegt, muss ich erstmal erklären.

Für die nächsten Romane mache mir auf jeden Fall einen dicken Merkzettel: Recherche unbedingt vorher oder zeitnah beim schreiben

Hinterher vieles ändern zu müssen, ist eine hässliche Aufgabe. Interessant wäre es zu wissen, ob die Recherche einfacher ist, wenn man bereits einen Roman veröffentlicht hat – ich kann mir vorstellen, dass es etwas leichter ist, dann in ein Hotel zu marschieren, um sich ein Zimmer zeigen zu lassen…

2 Kommentare

  1. Recherche ist ein interessantes Thema und klar, ich kann einiges vom Schreibtisch aus erledigen ABER ich sehe z.B. nicht, ob eine Straße ansteigt oder abschüssig ist. In meinem Manuskript Finkenmoor habe ich einen Jungen im Rollstuhl von A nach B geschickt. Vor Ort bemerkte ich dann bei meiner Wanderung, dass Ivo diese Strecke unmöglich so fahren kann, wie ich es vorgesehen habe, denn der Weg hatte eine leichte Steigung und war zudem mit Sand überzuckert. Das hatte nicht nur Konsequenzen für die Zeit, die der Junge für die Strecke benötigt, sondern ich musste die Szene umschreiben, sogar Ivos Wohnort verlegen, damit er abwärts rollen kann. Also, ich stimme 100% zu: Nichts ersetzt die Recherche vor Ort!

    1. Das mit der Straße ist auch ein gutes Beispiel. In Köln gibt es zwar Google Street View, aber nicht für viele andere Orte. Und Sand auf dem Weg erkennt man dann wirklich nicht von oben. Wohnortverlegung – wäre schön, wenn mir das helfen würde bei der Handlung. Es gibt einiges, wofür ich deutliche Änderungen an der Handlung vornehmen muss (ich werde morgen mal die Scherben ins Netzt stellen…).

      Aber gut, ich sehe es mittlerweile als Herausforderung. Und als Chance, daraus zu lernen.

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