Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die dritte Kölner Musiknacht gestern – das Thema, über welches ich eigentlich heute schreiben wollte. Nach wie vor hängt mir aber etwas anderes mit einer solchen Intensität im Kopf, so dass ich mich damit auseinandersetzen muss.

Fangen wir mit meinem Samstag Vormittag an, der Rest ergibt sich dann fast wie von alleine. DER CHEF und gingen einkaufen, etwas die Zeit im Nacken, da die erste Veranstaltung der Musiknacht für uns bereits um 18:00 anfangen sollte. Dazu musste wir auch noch nach Ehrenfeld, mit einer neuen Kartenapplikation auf dem ebenfalls neuen iPhone. Aber das ist etwas, was hier gar nicht hingehört. Gut koordiniert schafften wir alles auf der Neusser Straße innerhalb unseres Zeitlimits einzukaufen. Ein kurzes Mittagessen aus dem Wok zu Hause, dann noch für zumindest eine knappe Stunde hinlegen. Als ich schon die Bettdecke in der Hand hatte, klingelte es an der Haustür. Schnell wieder in die Jeans und geschaut, wer da was von uns wollte. Ein Packetbote von Hermes brachte ein von mir bei amazon bestelltes Buch. Der neue Roman von John Irving, „In einer Person“, auf den ich schon mal gespannt bin. Diesmal werde ich die Rezensionen erst hinterher lesen.

Jedenfalls ging es nach einem kurzen Blick aufs Buch ins Bett. Rund eine Stunde später standen wir dann in der Küche, tranken einen Kaffee zum richtig wach werden. Bis zum Aufbruch verging noch mal fast eine Stunde, in der wir uns in aller Ruhe fertig machten, die Tickets einsteckten und dann gemütlich aufbrachen zu Stadtbahnhaltestelle Parkgürtel. Auf dem Weg dorthin begegneten wir dem Boten von Hermes, der immer noch unterwegs war und Pakete auslieferte. Es war bereits nach 17 Uhr, an einem Samstag. Der gehetzte Blick aus matten Augen versetzte mir einen Stich, den jetzt beim schreiben dieser Zeilen immer noch spüre. Während ich schlief, war der Mann fleißig. Lieferte Pakete aus, als ich dabei war, meinen Kaffee zu trinken. Mir wurde bewusst, dass er längst nicht fertig mit seiner Arbeit sein würde, wenn ich bereits die erste Aufführung genießen könnte.

Freitag kursierte ein Tweet, dessen Nachhall ich hier sah:

Hermes liefert heute verzögert aus, weil die Fahrer freitags immer erst noch Lebensmittel für ihre Familien an der Tafel abholen.

Das ist gesellschaftliche Realität, in der wir leben. Die einen gehen ins Konzert, während andere arbeiten und nicht wissen, ob und wie sie ihre Familie ernähren können mit dem, was sie an kargen Lohn erhalten. Das Verrückte dabei ist, wie wenig der Einzelne daran ändern kann. Den Paketboten mit mehr Höflichkeit begegnen, ist das Eine. Sich überlegen, künftig seine Bücher in den Buchhandlungen vor Ort zu bestellen, das Andere. Das hilft dem Boten von Hermes sicher nicht, im Gegenteil. Es verhindert aber, dass der Buchhändler vor Ort schließt und die Mitarbeiter möglicherweise auch für Hermes arbeiten müssen.

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