Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Zum Thema „Pussy Riot“ wurde in den Medien in den letzten Wochen viel berichtet und diskutiert. Der traurige Höhepunkt war dann Ende letzte Woche die Verurteilung der drei russischen Sängerinnen zu zwei Jahren Straflager.

Wie es um Demokratie und Meinungsfreiheit in Russland bestellt ist, weiss nicht erst seit diesem Prozess, sondern auch durch den Fall Chodorkowski und die Ermordung unabhängiger Journalisten. Was den Auftritt der Sängerinnen in einer Kirche angeht, darüber kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein. Auch ist es legitim, eine andere Auffassung hinsichtlich des Urteils zu vertreten. Was aber in einem Leserbrief in der heutigen Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers zum Ausdruck gebracht wurde, kann nicht unwiedersprochen stehen bleiben:

Wir haben kein Recht, uns in die Angelegenheiten anderer Länder und deren Religion einzumischen. Wie soll man ein so großes Land wie Russland regieren, das ist hier die Frage? Wo doch jetzt schon jeder macht, was er will. Meines Erachtens geht es nicht anders, als das man ein solch großes Land mit den vielen Völkern gelenkt zur Demokratie führt.
Quelle: KSTA, Donnerstag, 23. August 2012, S.16

Der Schreiber liegt völlig daneben. Wir haben sogar die Pflicht dazu, uns einzumischen, wenn woanders Menschenrechte missachtet und mit Füßen getreten werden. Dem Unrecht auf dieser Welt kann man nicht nur durch zuschauen und abwarten beikommen. Aber selbst in dieser Angelegenheit sind immer noch andere Standpunkte vertretbar. Was dann jedoch folgt, ist beabsichtigt oder unbeabsichtigt eine Legitimierung von Unterdrückung. Auf den Punkt gebracht ist der Verfasser davon überzeugt, dass große Länder wie Russland oder China eine starke Hand benötigen. Oder anders ausgedrückt: die Menschen in den Ländern sind noch nicht reif für die Demokratie, daher benötigen sie jemanden, der sie führt – wohin auch immer.

Nicht westliche Politiker klopfen dumme Sprüche, wenn sie sich für die Menschenrechte einsetzen, sondern der Herr aus Bergisch Gladbach. Bei der Geisteshaltung, die zwischen seinen Zeilen hervorschaut, kann man von nicht vorhandener Empathie ausgehen.

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