Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Während man ohne gültigen Fahrschein in einem Zug des Nahverkehrs auf jeden Fall Schwarzfahrer ist, besteht im Fernverkehr die Möglichkeit, eine Karte nachzulösen. Wer mit dem ICE fährt, hat entweder das passende Ticket oder zahlt einen Aufpreis, was bei reinen Nahverkehrsticket nicht möglich ist.

Das sind aber alles nur die technischen Details. Interessanter wird es bei der Umsetzung der Vorschriften. Bei Zugbegleitern handelt es sich nicht um Mitarbeiter eines Escortservice für ein spezielles Reisemittel, sondern um die Damen und Herren, die in den Zügen die Fahrscheine „der Zugestiegenen“ kontrollieren. Diese Zugbegleiter haben hinsichtlich bestimmter Belange einen so genannten Ermessensspielraum. Übersetzt aus dem Behördendeutsch würde man auch von Kulanz bzw. Kundenfreundlichkeit sprechen. Ganz drastisch ließe sich auch behaupten, im Einzelfall hängt es davon ab, ob einem Zugbegleiter die Nase eines Kunden passt oder nicht. Willkür wäre hier sicher der falsche Begriff.

Häufig schon miterlebt habe ich den Umgang mit Reisenden, die kein gültigen Fahrschein im ICE hatten. Der Extremfall war hier der Versuch des Zugbegleiters, die Personalien des Reisenden ohne Fahrschein aufzunehmen, was an dessen Weigerung, sich auszuweisen, scheiterte. Am nächsten Bahnhof stiegen dann die freundlichen Herren von der Bundespolizei dazu. Oft kommt es, so meine Erfahrung, darauf an, wie sich der Reisende gegenüber dem Zugpersonal verhält. Dreistigkeit führt dabei meistens zu Sanktionen.

Bis gestern hatte ich aber noch keinen Fall erlebt, wo jemand ohne Ticket einfach so davon kommt. Die Aussage, er habe sein Portmonee im Büro liegen gelassen, reichte der Zugbegleiterin als Fahrscheinersatz aus. Sie machte sich sogar noch Sorgen, wie der Mann den am nächsten Tag zur Arbeit kommen würde. Sicher ist an dieser Stelle nur eine hässlich Unterstellung, wenn man sagen würde, dies hätte an dem teuren Anzug des Mannes gelegen. Es ist auch nur Zufall, wenn Rucksacktouristen in der gleichen Situation grundsätzliche immer eine Beförderungserschleichung unterstellt wird.

Eine Antwort

  1. Ja, man wird vollkommen anders behandelt, wenn man die richtigen Klamotten trägt.

    Ich muss bei sowas immer an einen alten Freund denken, der damals in seiner Kifferhochphase auf die Art an Geld gekommen ist. Er war immer mal wieder richtig abgebrannt, hatte aber zwei Sachen: nen Anzug im Schrank und einen Sportwagen in der Garage. Wenn also mal wieder Ebbe in der Kasse war, hat er sich gekämmt, den Anzug angezogen und ist mit seinem Flitzer an eine Autobahntankstelle gefahren und hat da ausschließlich Fahrer von 911er, 7er, S-Klasse usw angequatscht. Er hätte sein Portemonnaie vergessen und müsste zu einem Meeting. Ab und an ließ so mancher sogar nen Fünziger springen. Man war ja unter sich.

    Zu Fuß und in nem Metalshirt hätte es wohl nichts gegeben. ;)

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