Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wenn man nach einigen Jahren im Internetbusiness eines mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, dann das: Kunden träumen davon, bei Google auf Platz eins zu stehen. Garantiert. Um den Traum Wirklichkeit werden zu lassen, hat man als Dienstleister alles nur erdenkliche zu tun – am besten bis vorgestern.

Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus, als der Kunde es gerne hätte. Das ist aber für den Kunden genauso wenig ein Problem wie für all die Menschen, die nach dem Austritt aus ihrer bisherigen Glaubensgemeinschaft auf Sinnsuche sind. Hier wie da findet man nämlich einen Guru, dessen Ratschläge man nur befolgen muss, um zur ewigen Glückseligkeit zu gelangen. Oder natürlich ganz weit vorn bei Google. Im Internetbusiness heisst der Guru selbstverständlich nicht Guru, sondern SEO-Spezialist, oder auf Deutsch gesagt: jemand, der sich mit der Suchmaschinenoptimierung auskennt.

Wer ein wenig mitdenkt, wird sich sofort frage: „Moment, wieso Suchmaschinenoptimierung, können diese hochqualifizierten und gut bezahlten Fachkräfte tatsächlich Suchmaschinen optimieren, also auf die Programmierung von Google Einfluss nehmen, damit die Suchmaschine noch besser die Inhalte des Kunden findet? Um ehrlich zu sein: Natürlich können sie das nicht.

Der typische SEO-Berater schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen das Ranking der Website des Kunden verbessert wird. Wenn man sich strikt an die Anweisungen hält. Zum Beispiel muss auf jeden Fall eine Sitemap für Google vorhanden sein. Oder es sollten wirklich alle Keywords, die relevant sind für eine Seite, auch in der URL bereits auftauchen:

grandioses-messer-schleifen-schaerfe-unglaublich-schneidet-fantastisch-begeistert.html

Dann werden diese Keywords noch mal dreimal im dürftigen Text, der selbstverständlich, nach dem er einmal angelegt wurde, nie mehr geändert wird, eingestreut. Zur Krönung des Ganzen finden sich dann noch ein Duzend Social-Irgendwas-Buttons, damit jeder gleich sofort diese tolle Seite mit anderen teilen kann.

Früher hat man sich nur darauf beschränkt, mit weißer Schrift auf weißem Hintergrund die ganzen Schlüsselwärter, die man auch im Quelltext im Bereich der Meta-Daten inflationär verwendet hat, noch mal zu wiederholen. Mittlerweile haben die meisten der selbsternannten SEO-Experten herausgefunden, dass Google so was abstraft.

Wesentlich weiter sind sie meiner Meinung nach noch nicht gekommen. Denn mal ganz ehrlich: bei aller technisch sinnvollen Optimierung der Seite (was das jetzt genau ist, verrate ich nicht, dazu müsst ihr mein schweineteures Buch kaufen), gibt es doch vor allem eins, was wichtig ist. Richtig, der Inhalt der Seite.

Das ist nicht nur eine Behauptung, sondern ich belege das gerne auch immer wieder Kunden gegenüber mit folgendem Exkurs. Zuerst die Frage: womit verdient Google unter anderem sein Geld? Richtig, mit der Werbung, also mit lustigen kleinen Anzeigen, die im Umfeld der Suchergebnisse bei Google geschaltet werden. Das ist der Schlüssel zum Verständnis. Sehr, sehr viele Menschen verwenden Google, was auch Auswirkungen auf den Preis dieser Anzeigen hat. Und warum wird Google verwendet? Weil die Suchmaschinen Dinge findet, die die Suchenden lesen wollen. Niemand benutzt Google, weil er einen völlig wertlosen Text ohne Informationsgehalt zu einem Thema, nach dem er gesucht hat, lesen will. Die Menschen wollen etwas, was ihnen wirklich weiter hilft. Daraus ergibt sich für Google eine Mission: es will die Suchmaschinen sein, die den Suchenden möglichst qualitativ hochwertige Ergebnisse liefert (vereinfacht gesprochen).

Dazu gehört, dass Google sich nicht von dem Budenzauber irritieren lässt, welchen die „SEO-Experten“ veranstalten. Man kann sich, wieder vereinfacht gesprochen, Google vorstellen wie einen riesigen Textparser. Früher, zu Zeiten von Zork waren solche Parser noch recht simpel gestrickt. Google schafft es mittlerweile, ziemlich gut (mehr oder weniger jedenfalls) einschätzen zu können, welche Relevanz eine Webseite zu einem bestimmten Thema hat. Genau das ist das Stichwort: Relevanz. Wie gesagt, der Grund, warum Google das macht, ist einzig und allein der, dass Google damit Geld verdient, wenn es relevante Suchergebnisse zu einer Suchanfrage liefert.

Noch Zweifel? Dann muss ich tief in meine Trickkiste greifen, und eine Beispiel hervorzaubern. Man nehmen dazu zwei Begriffe und gebe sie bei Google ein: Senso Problem

Mit ziemlicher Sicherheit findet man dabei eine Blogseite, deren Autor sich herzlich wenig um die ganzen tollen SEO-Tricks kümmert, trotzdem aber mit einem fast sieben Jahre alten Artikel ganz weit oben mitspielen darf. Warum ist das so? Der Artikel selber ist doch auch noch verdammt kurz. Das Geheimnis sind in diesem Fall die Kommentare von bisher 72 Besuchern, die sich untereinander Tipps gegeben und auf diese Weise ihre Probleme mit der Senseo-Maschinen (Senseo, nicht SEO, die Namensähnlichkeit ist hier rein zufällig) lösen. Mit jedem Kommentar, der wieder etwas neues dazu beiträgt, steigt die Qualität bzw. die Relevanz der Seite – nicht meines blöden Textes. Gleichzeitig, und das ist der besondere Witz an der Seite, wird sie immer wieder auf diese Weise inhaltlich aktualisiert. Veränderung, Aktualität, Relevanz. Google gefällt das.

Todsichere SEO bedeute also eigentlich, Inhalte zu bieten, die für den, der danach sucht, von Bedeutung sind. Und das, liebe Kunden, ist ein hartes Brot. Die Arbeit nimmt euch kein Guru ab. So was könnte ein guter Texter, für den ihr aber leider kein Geld mehr hat, weil – ach das wisst ihr glaube ich jetzt schon selber.

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