Von allen guten und bösen Geistern verlassen

„Nein, eigentlich nicht. Bei mir zu Hause ist die Heizung ausgefallen, daher habe ich mich von einem Kollegen hier absetzen lassen. Zum aufwärmen sozusagen.“

„Verena Böckel.“ Die junge Frau reichte Knutsen ihre Hand herüber. „Bei mir ist auch die Heizung ausgefallen.“

„Dann sind wir Leidensgenossen.“

„Das wird sich zeigen.“

Rühmann unterbrach ihr Gespräch und brachte Böckel eine kleinere Portion ohne Fleischbeilage.

„Wie, keine Wurst dazu“ Knutsen grinste sie an.

„Ein Würstchen reicht mir. Ich bin Vegetarierin.“

Knutsen erspart ihr den Hinweis, dass Rühmann den Grünkohl mit ordentlich viel Speck zubereitete. Während Böcke aß, ließ sie sich von Knutsen erzählen, was ihn nach Erfels verschlagen hat.

„Das ist der Geburtsort meiner Mutter.“

„Noch lange kein Grund, den selber Fehler zu machen, oder?“

„Hier sollte es leichter sein, ohne viele Leichen und so.“

„Und, ist das so?“

„Wie man es nimmt.“ Er konnte sich gerade noch daran hindern, ihr von dem Selbstmörder zu erzählen.

„Aus welchen Grund sind sie nach Erfels gekommen?“

„Der Liebe wegen.“

Knutsen Laune verschlechterte sich merklich.

„Die findet man wohl hier, hört man so.“

„Ehrlich gesagt bin ich ihr davon gelaufen.“

„Das macht mich jetzt aber neugierig.“

„Ich würde es lieber bei der Andeutung belassen.“

„Darf ich ihnen einen Ausgeben?“

„Wenn es nur bei einem bliebt.“

Es blieb nicht bei einem Bier. Hinterher wusste Knutsen nicht mehr, wie er nach Hause gekommen war. Allerdings wurde ihm bei aufwachen schmerzlich bewusst, dass es nicht nur früher Abend war, sondern er auch alleine in seinem Bett in der noch immer kalten Wohnung lag. Verna hatte darauf bestanden, in ihrem Bett alleine zu schlafen. Zumindest waren sie bei Du angelangt. Weniger als sich Knutsen erhofft hatte, aber immerhin ein Anfang.

Den Rest des Abends verbachte Knutsen mit einem lausigen Fernsehprogramm und einer Heizung, die sporadisch ansprang und den Eindruck erweckt, sie sei zumindest bemüht. Am zweiten Weihnachtsfeiertag ließ Grönen ihn in Ruhe. Den Tag verbracht Knutsen damit, ein paar Freunden auf die Nerven zu fallen mit seinen Anrufen, E-Mails zu verschicken und sich für nicht erhaltene Weihnachtsgeschenke zu bedanken. Wobei er daran selber Schuld gewesen war. Bei seinem Umzug nach Erfels hatte er nicht an einen Nachsendeantrag gedacht und auch verschwitz, allen seine neue Adresse mitzuteilen. Bis zum nächsten Werktag warteten seine Pakete mit etwas Glück auf dem Postamt. Am Nachmittag versuchte Knutsen, im Internet etwas über Verena Böckel herauszufinden. Nach anderthalb Stunden gab er frustriert auf. Die Personen gleichen Namens, auf die er gestoßen war, waren entweder zu jung oder zu alt. Vielleicht würde er sie heute Abend im Strohalm treffen. Knutsen sprang unter die Dusche und zog sich ein paar frische Sachen an, bevor er sich durch ein einsetzendes Schneetreiben auf den Weg machte.

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