Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Bahn ist seit ein paar Tage auf Facebook mit einer eigene Seite vertreten. Man kann sich dort nicht mit ihr befreunden, was wohl nicht schlimm ist, denn es dürfte wenige Menschen geben, die tatsächlich mit der Bahn befreundet sein wollen.

Das hat Gründe, natürlich. Ein Freund belügt den anderen nicht oder zieht ihm das Geld aus der Tasche. Ab heute sind die Tickets im Fernverkehr im Schnitt um 3,9 Prozent teurer. Die bahn.card 100 kostet dadurch 19 Euro im Monat mehr. Zum Ausgleich dafür erhöht die Bahn die Abstände zwischen den Grundreinigungen der Züge von vier auf sechs Wochen. Dreck härtet ab, wusste schon meine Oma. Wahrscheinlich will die Bahn etwas für das Immunsystem ihrer Kunden tun. Und wie wie aus Gesundheitsbereich bekannt, kostet so was schon mal etwas mehr.

Service, dass ist das, was bei der Bahn eigentlich „service“ geschrieben werden müsste. Der Kunde als Kuh, die man melken kann. Auch bei den Platzreservierungen, für Stammkunden künftige nicht mehr zwei, sondern vier Euro kosten. Dafür lässt man dann gerne mal ein paar Züge ausfallen, so das der Kunde den Wert einer solchen Reservierung in überfüllten Zügen auch wirklich zu schätzen weiss.

Die Bahn bei Facebook


Nein, mit so jemanden möchte ich nicht befreundet sein – auch nicht auf Facebook. Aber wie gesagt, das geht ehedem nicht. Man kann lediglich ein Fan der Bahn werden. Ein Fan, so wie man Fan eines Fußballvereins werden kann. Fußballfans wissen, dass ihr Verein Höhe und Tiefen durchläuft, nicht immer in der ersten Liga spielt. Ein Fan leidet mit seinem Verein und bleibt ihm treu – freiwillig.

Der Bahn bleibe ich nicht freiwillig treu, sondern weil ich muss. Zum Pendeln gibt es keine Alternative. Auch sonst hinkt der Vergleich etwas. Ein Fußballverein lässt seine Fans nicht im Regen stehen. Wer sich Bahnhöfe wie in Essen und Bielefeld ansieht, weiss, was gemeint ist. Bei der Bahn leidet man auch nicht mit dem Unternehmen, sonder mehr oder minder für das Unternehmen. Eigentlich müsste man sich schämen für die Bahn, jawohl schämen. Aber das lässt sich bei Facebook leider nicht anklicken. Allerhöchstens lässt sich ausdrücken, dass einem die Bahn gefällt. Mir gefällt sie aber nicht, jedenfalls nicht mehr.

Ich bin kein Freund der Bahn, sondern ein Kunde. Und als solcher möchte ich ernstgenommen werden. Möchte nicht in der Zeitung von Gewinnen in Milliardenhöhe lesen, während Menschen in über 40 Jahre alten IC- und EC-Zügen durch die Gegen gefahren werden. Wenn man mich fragt, wovon ich ein Freund wäre, wenn es um das Thema Bahn geht, ist meine Antwort recht einfach: von der sofortigen Umkehr von jeglichen Privatisierungphantasien. Die Bahn gehört in Deutschland in staatliche Hände, ohne Wenn und Aber. Sie muss ein günstiges, zuverlässiges und modernes Verkehrsmittel werden, weil sie eines der wenigen umweltfreundlichen Massenverkehrsmittel ist, die wir haben. Politik zugunsten der Bahn ist Politik zugunsten der Umwelt und der Menschen. Davon wäre ich ein Freund.

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