Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Lange habe ich überlegt, ob ich mich noch mal zum Fall des Herrn G. äußern soll oder nicht. Eigentlich ist alles gesagt, diskutiert wird woanders und an die Entscheidung, ob ihm der Doktortitel nun aberkannt wird oder nicht, kann ich nicht beeinflussen.

Und überhaupt, eigentlich wollte ich über das Schreiben schreiben, ein Literatur-Thema heute. Warum also noch mal mit G. auseinandersetzen? Nun, von einem bestimmten Blickwinkel aus betrachte, ist Herr Guttenberg (von und zu) durchaus ein literarisches Thema. Nämlich genau dann, wenn wir uns klassische Dramen ansehen. In der Dramentheorie gibt es den Begriff der Fallhöhe,

die besagt, dass der Fall eines Helden umso eindringlicher empfunden wird, je höher sein sozialer und moralischer Rang vorher war.
Quelle: LiGo – Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe online

So gesehen ist Karl-Theodor zu Guttenberg ein tragischer Held. Gerade seine adelige Herkunft, sein kometenhafter Aufstieg zum Liebling der konservativen Politik-Szene sind Voraussetzungen für das, was kommt. Sollte er tatsächlich seinen Doktortitel verlieren, wird er auch als Minister für die CDU/CSU untragbar werden, unabhängig von den derzeitigen Solidaritätsbekundungen.

Aufgeteilt ist ein klassisches Drama in fünf Akte.

I.: Exposition, Einleitung. Vorstellung der handelnden Person, des Ortes und des so genanten Keims des Konfliktes Bei Guttenberg war das wohl die Phase, wo er Wirtschaftsminister geworden ist.

II.: Anstieg der Handlung. Das Geschehen entwickelt sich, Interessen stoßen zusammen und Intrigen werden gesponnen (nach: Gustav Freytag, ‚Die Technik des Dramas‘). Guttenberg wird Verteidigungsmister, es werden im Zusammenhang mit Vorfällen in Afghanistan Personen entlassen, die Affäre Gorch Fock nimmt ihren Lauf.

III.: Peripetie, der Held gerät in Auseinandersetzungen, verliert die Möglichkeit zum freien Handeln. So in etwa also wie Guttenberg, der sich zur Stellungnahme in eigener Sache gezwungen sieht und seinen Doktortitel vorerst, wie er betont, ruhen lässt. An der Stelle sind wird gerade.

Spannend wird dann, was noch folgt, nämlich Akt IV und V.

IV.:Fallende Handlung, letzte Hoffnung. Aussicht auf Rettung in letzter Sekunde, die aber nicht stattfindet. Steigende Spannung.

V.: Katastrophe. Der Held ist zum Untergang verurteilt. Die Frage an der Stelle dürfte dann sein, ob Guttenberg tatsächlich Figur einer Tragödie ist oder ob es sich um ein Schauspiel, gar Komödie handelt, aus dem der Held siegreich hervorgeht. Am Ende wird es wohl so sein wie in ‚Der gute Mensch von Sezuan‘ vorn Berthold Brecht:

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen

An dieser Stelle muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass die griechischen Dramen immer auch einen Bezug zur damaligen Politik hatten.

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