Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Nach dem ich bereits versucht habe, die Skizze auf drei Sätze zu reduzieren, kommt aus meiner Sicht jetzt der nächste Schritt. Die Ideen aus der Skizze in einen Plot übertragen. Vorab komm ich aber nicht um ein bisschen Theorie herum.

Das was ich erzählen möchte, soll in Form einer Kurzgeschichte erfolgen. Entscheidend bei einer Kurzgeschichte ist nach C. Vainstain (in: Erfolgreich Schreiben) nicht die Länge des Textes, sondern dass darin ein kurzer Ausschnitt gezeigt wird. Statt Anfang und Ende zu haben wie bei einem Roman (bei einem klassischen Roman setzt die Erzählung mit der Geburt des Protagonisten ein und endet mit dessen Tod, zum Beispiel wie bei „Das Parfüm“ von Patrick Süskind), setzt die Erzählung unmittelbar mitten in einer Handlung ein. Bei „Keine halben Sachen“ ist das der Moment, als die Hauptfigur auf dem Stuhl seiner Wohnung sitzt, kurz vor dem Amputation seines verbliebenden Beines. Die Erzählung endet nur wenig später, als im stillen Einverständnis mit der Abtrennung des Beines begonnen wird. Ob die Operation gelingt oder nicht, ist nicht mehr Bestandteil der Erzählung, bleibt also ganz der Phantasie des Lesers überlassen. In Bezug auf den Plot habe ich zwei Punkte, die ich miteinander verbinden muss. Zwischen den beiden Punkten liegen die einzelnen Stadtionen der Handlung. Als ich ich mich mit der Reduktion abgemüht habe, taucht zwischendurch der Name Michael für die Hauptfigur auf, abgekürzt M. Zumindest für den Plot werde ich diese Bezeichnung verwenden. Es ist deutlich kürzer und weniger umständlich, als ganze Zeit „Hauptfigur“, „Protagonist“, „Charakter“ oder ähnliches zu benutzen. Die zweite Figur ist für mich lediglich „der Pole“ auch wenn sie nicht aus Polen stammt. Woher sie kommt, ist nicht nur für den Plot, sondern auch für die gesamte Handlung unwichtig. Sie könnte auch ein arbeitsloser deutscher Metzger sein, der sich mit Schwarzarbeit etwas dazu verdient. Diese beiden Punkt sind es, die wirklich relevant sind für die Handlung. Die Person, die M das Bein abtrennen wird, muss zumindest etwas davon verstehen und zudem in einer Notlage sei, so dass sie sich darauf einlässt, die Amputation in der Wohnung von M vorzunehmen.

Nach den Vorbemerkungen geht es jetzt an den eigentlichen Plot.

Erster Versuch:
M sitzt auf einem Stuhl in seiner Wohnung
M denkt zurück an die Amputation seines ersten Beines
Wie M den Polen gefunden hat und was dieser für ihn tun kann
Warum M die Amputation in seiner Wohnung vornehmen will
Die von M und dem Polen getroffenen Vorbereitungen
M nickt dem Polen zu, als Zeichen dafür, dass es los gehen kann

Beim obigen Versuch bin ich so vorgegangen, dass ich die bereits bekannten Punkte zuerst aufgeschrieben habe. Erst danach habe ich an Hand der Skizze die einzelnen Station dazwischen eingefügt. Zufrieden stellt mich das Resultat noch nicht. Allerdings habe ich trotzdem den Eindruck, das ich entscheidenden vier Stationen aus der Skizze herausgefunden habe. Interessant finde ich die im Plot (wenn auch noch undeutlich) erkennbaren unterschiedlichen Zeitebenen. In der Gegenwart sitzt M auf dem Stuhl in seiner Wohnung, in der sich auch der Pole, der ihm das Bein abtrennen wird, aufhält. Ein der weit zurück liegenden Vergangenheit hat sich M eines seiner Beine in Thailand abtrennen lassen. In der näheren Vergangenheit hat er sich jemand gesucht für die Amputation seines zweiten Beines. Vor der eigentlichen Operation haben der Pole und M Vorbereitungen getroffen, die jetzt wiederum dazu führen, dass der Pole M das Bein abtrennen wird. Im Text wird es später darauf ankommen, diese Ebenen geschickt durch die Verwendung der Zeitformen sprachlich deutlich zu machen. Kommen wir aber zunächst wieder zurück auf den Plot.

Zweiter Versuch:
Auf dem Stuhl in der Wohnung
Die Amputation des ersten Beines
Der Helfer fürs Grobe
Das Bein muss ab
Gut vorbereitet
Es geht los

Diesmal habe ich mit dem ersten Punkt begonnen und die Stationen bis zum zweiten Punkt der Reihe nach runter geschrieben. Das ging deshalb, weil ich mich am ersten Versuch orientieren konnte. Auch bei so anscheinend einfachen Dingen wie dem Plot scheint die Überarbeitung Verbesserung zu ermöglichen. Ob das in diesem Fall gelungen ist, fällt mir schwer zu beantworten. Zufrieden bin ich mit dem zweiten Versuch auf keinen Fall. Was ich bei mir feststelle, ist der Hang, Überschriften für die einzelnen Stationen zu finden. So bin ich bei der Entwicklung des Plots für meinen ersten Roman ebenfalls vorgegangen. Zu den Überschriften gesellten sich dann kurze Beschreibungen, was in dem Teil passieren wird. Diese Arbeitsweise hat sich für mich bewährt. Nach dem ich noch mal recherchiert habe, wird mir klar, das der zweite Versuche alles andere ist außer ein Plot. Bevor ich mich an den dritten Versuch wage, schadet es nicht, noch mal genau zu definieren, was tatsächlich ein Plot ist – im nächsten Teil. Zum Schluss für heute sei noch erwähnt, das statt „Das Bein muss ab“ ursprünglich „Hausschlachtung“ an der vierten Position stand.

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