Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wie unter Überarbeiten beschrieben, versuche ich für künftige Kurzgeschichten systematischer vorzugehen. Statt eines Endergebnisses gibt es daher an dieser Stelle die erste Skizze zu lesen. Ein Plot ist das, glaube ich, noch nicht, da die systematische Ordnung fehlt. Eine geordnete Reihenfolge fehlt.


Es gib einen Anfang und das Ende. Bei letzterem hab ich bereits jetzt den Eindruck, das es dem finalen Ergebnis sehr nahe kommt. Bevor ich jetzt noch weitere erklärende Worte hinzufüge, erstmal der eigentliche Text:

„Person sitzt auf einem Stuhl in seiner Wohnung. Der Boden des Zimmer ist mit Plastikfolie abgedeckt. Person hat nur noch ein Bein. In Gedanken geht sie zurück zu dem Moment, wo sie sich das erste Bein hat freiwillige amputieren lassen. Es war in Thailand, weil in Deutschland kein Arzt ein gesundes Bein amputiert. Für einen erneuten Flug nach Thailand fehlt ihm das Geld. Er will aber unbedingt noch das zweite Bein ab haben, da er sich sonst nicht vollständig fühlt. Eben keine halben Sachen. Über eine Zeitungsanzeige hat er einen polnischen Handwerker gefunden, der bereit ist, mit einer Säge aus dem Baumarkt das Bein zu amputieren. Zur Betäubung hat er sich Schmerzmittel aus dem Internet bestellt, in der Hoffnung, das das zusammen mit dem Wodka reichen wird. Der Pole ist gelernter Metzger, der in Deutschland keine Anstellung in seinem erlernten Beruf gefunden hat, deswegen schlägt er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Der Pole ist kein Pole, sondern stammt aus der Ukraine oder aus Kyrgisistan oder sonst wo her, so genau kann die Person das nicht heraushören. Ist ihm auch egal, so lange das Bein hinterher ab ist.

Vorher hatte er versucht, mit dem Abbinden des Beines eine Amputation in Deutschland zu erzwingen. Als die Schmerzen zu groß wurden, ging er zum Arzt. Leider konnte das Bein gerettet werden. Danach flog er nach Thailand. Nach der Operation lag er mehrere Tag bei tropischer Hitze im Delirium, Fliegen umschwärmten den Stumpf. Eine saubere Amputation hätte anders ausgesehen. Jetzt, in seiner eigenen Wohnung, würde es keine Fliegen geben. Er hoffte nur, das der Pole sein Handwerk verstand, sonst würde er ausbluten wie ein Schwein. Ganz ohne Blut würde es nicht gehen, das wusste er. Daher hatte er auch die Plane im Baumarkt besorgt. Seine Hände zittern ein Wenig, als sie noch mal die Details durchgingen, so dass er sie ineinander verschränkte. Es gab kein Zurück mehr, was auch gut so war. Hinterher, davon war er überzeugt, würde er sich endlich vollständig fühlen. So wie es von Anfang an hätte sein sollen.

Zuerst würde der Pole mit dem Fleischermesser bis auf den Knochen schneiden. Sie hatten auch überlegt, ob eine scharfe Axt nicht mit ein zwei Schläge die Sache erledigen könnte, aber die Gefahr war zu groß, dass dabei was schief ging. Auch wäre eine grade saubere Wundkante so nicht möglich. Mit einer Sticksäge vorzugehen, schied auch aus. Das Ding würde das Fleisch nur reißen und hinterher beim Knochen heißlaufen. Gemeinsam hatten sie sich Dokumentationen über mittelalterliche Wundärzte und Sanitäter im Weltkrieg, die unter den widrigsten Umständen Amputation vorgenommen hatten, angesehen. Man konnte dabei viel lernen, zumindest dann, wenn man die Sprache verstand. Für das Problem mit den Arterien bestand die Lösung, einen heißen Draht zu verwenden, so wie er auch zum schneiden von Styropor benutzt wird. Den gab es auch im Baumarkt. Vermutlich würde der Geruch von verbranntem Fleisch noch lange in der Wohnung hängen.

Sie nickten sich zu. Es war soweit.”

In den nächsten Tage werde ich versuchen, die Skizze soweit zu überarbeiten, dass der Text in die richtige Reihenfolge kommt und damit die Struktur des Plots deutlicher zu machen.

8 Kommentare

  1. Der Plot ist eine Kurzgeschichte wert! Solche „abgefahrenen“ Plots „leben“ aber aus meiner Sicht wesentlich davon, welche Beweggründe zu einem solchen Verhalten führen. Wenn ich nichts finde, was mir das Verhalten der Protagonisten erklärt, wird die Geschichte schnell zu einer technischen Beschreibung – die würde ich dann aber in einem chirurgischen oder Handbuch für Metzger besser aufgehoben sehen (ausser, es handelt sich um eine Stilübung).
    Die Beweggründe müssen nicht rational fundiert sein, aber „gesunde Beine abnehmen“ ist schon einer Begründung wert, sofern es nicht um die Beschreibung von „Verrücktheit“ geht, um Verhalten „ohne Beweggründe“.
    Die Idee hinter dem beschriebenen Verhalten bestimmt doch auch das Erzählen – oder?

    1. Stimmt, die Beweggründe sind wichtig. Vor allem, damit daraus eine Kurgeschichte und keine Schreibübung wird. Meine Idee dahinter ist, neben dem erzählen der Geschichte, mit einer Serie von Blog-Einträgen den Entstehungsprozess zu dokumentieren.

  2. Hallo, ich bin Dieter und schreibe gerade an meinem ersten eigenen Roman und muss feststellen, dass meine Methode eine ganz andere ist, eine Geschichte zu schreiben. Anstatt das Ende zu kennen, lasse sich mich von der Geschichte treiben und kenne nicht wirklich das Ende.

    1. Hallo Dieter! In einem der Bücher, die ich gerade lese, gibt es einen sehr schönen Vergleich zwischen dem Bau eines Hauses und dem schreiben eines Romans. Beim Haus würde niemand auf die Idee kommen, einfach so darauf los zu bauen. Für viele, besonders die guten, Romane gilt das ebenso. Buch-Tipp für dich: „Erfolgreich schreiben“ von Claus Vainstain.

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