Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Frühzeitiges Erblinden auf halbgewaschenen Ohren hilft darüber hinweg, dass die Jahre kommen und gehen, ohne uns einen guten Tag zu wünschen. Es gibt Momente, da fühlt man sich nicht als Fußabtreter für die Wünsche anderer, auch wenn diese zunehmend seltener werden. Angenehm dabei ist allerdings, das eben auch die anderen, die sich Freunde oder schlimmer schimpfen, mit der Zeit vergehen. Liegt aber der letzte von ihnen unter der Erde, begrüßt man nicht das Gefühl von Freiheit, sondern ist sich selbst gewiss, dass man schon bald der nächste auf der langen Liste eines sehr beschäftigten Mannes mit einfachen Modegeschmack ist.

Ein andere Tag. Immer noch ist das Rauschen gut zu vernehmen, mit dem die Stunden an uns vorbei rasen. Wäre die Zeit ein Fluss, könnte man darin nicht ertrinken. Zu viele Leichen trieben mit aufgedunsenen Bäuchen obenauf, so dass man mit seinem eigene Mühlstein um den Hals kein Platz dazwischen fände. Erneutes lauschen, dem Tuscheln der Minuten zuhören, die gemeine Gerüchte über uns verbreiten und doch freundlich lächeln, wenn wir sie ansehen. Mühsam rinnen unsere Gedanken auf Papier, zerfallen zu Buchstaben, bilden Wörter und Sätze. Wenn sich darin zufällig ein Sinn ergibt so ist es bestimmt nicht der unseres Lebens. Texte erbrechen können auch Geistlose, die wie zur Abschreckung hinter dicken Mauern verwahrt werden. Jederzeit, so wird gedroht, könne man sie frei lassen, wenn wir nicht fleißig genug seien.

Beim nächsten Ton ist alles anders, nur ist gerade der, den wir nie hören, nicht hören können. Nichts ist also anders, alles bleibt so, wie es beständig vergeht. Das sich etwas ändern könnte, ist nur der Spruch auf einer Flasche mit billigem Inhalt, abgefüllter Trost für die Abendstunden. Immer wieder rufen wir uns selber an, jedes Mal ärgert, dass ständig besetzt ist. In diesem Leben sind wir schon mit anderen Dinge beschäftigt, da bleibt kein Platz mehr für ein Gespräch mit uns selber. Wenn wir uns nicht selber Auskunft geben, bleibt die wichtigsten Fragen unbeantwortet, auch wenn sie so nie gestellt wurden.

Fassungslos auf dem leeren Tageskalender starrend, den wir aus einer Sentimentalität, die mehr der Senilität gleicht, gekauft habe. Ein Jahr und etwas mehr ist es her, dass wir ihn gekauft und stolz aufgehängt haben, hoffend, dass wir so jeden Tag dem Schicksal gleich in die Hand nehmen würden. Am Schluss sind die Blätter ausgefallen wie Zähne bei schwerer Parodontitis. Akuter Mangel an was auch immer. Eiternde Erinnerungen und absterbende Nerven sind das Einzige, was uns noch geblieben ist, am Ende des Jahres.

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