Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Eigentlich wollte er nur nach Düsseldorf, seinen Hund besuchen. Jetzt lag er irgendwo auf einem namenlosen Gepäckband, gestrandet wie Millionen von Koffern jährlich. Schuld daran, dass er die Nacht auf dem Flughafen verbringen musste, war der Winter. Zumindest hatte das die Brünette mittleren Alters am Schalter gesagt. Gut, es hatte etwas geschneit, was kurz nach Weihnachten immer noch zu den Dingen gehörte, die vorkommen konnten. Allerdings nicht hier, in der Dominikanische Republik. Vielleicht war es auch besser so, nicht nach Düsseldorf zu können, in die Wohnung, die ihm schon vor der Scheidung fremd geworden war. Aus seiner Jackentasche holte er ein zerknittertes Foto hervor. Nils. Das honigfarben Fell des Labradors hatte ihm schon gefallen, als Nils nur ein namenloser Welpe gewesen war, das sein Ex aus dem Tierheim in ihre Beziehung brachte. Der Hund war für sie beide immer ein Ruhepol gewesen, nie Anlass eines Streites, den sie so oft führten um die Kindern, die sie nie hatten.

Unter seinem Rücken brachte ihn das kalte Fließband wieder dazu, sich darüber klar zu werden wo er gerade war. Weitab von Nils. Allerdings, so musste er sich eingestehen, wäre es in Düsseldorf auch nicht viel besser. Wäre Nils sein Sohn, hätte er zumindest ein Umgangsrecht. Für einen Hund gab es so was nicht. Marne das Biest hatte ihn für sich beansprucht. Schließlich, so war ihre Argumentation gewesen, sei sie es gewesen, die ihn aus dem Tierheim geholt habe. Als ob das noch eine Rolle spielte. Für den Richter war Nils nur ein Ding gewesen, das der einen oder anderen Seite zugesprochen werden konnte. Wie so oft hatte der bessere Anwalt, der nicht der seine war, den Ausschlag gegeben. Nils wurde offiziell zu Marens Besitz erklärt.

Zumindest um Weihnachten rum, so war seine Hoffnung, hätte er Maren erweichen können, um für ein zwei Stunden mit Nils durch den Schnee zu toben. Um der alten Zeiten willen. Diese Hoffnung lag jetzt unter dem Schnee begraben. Auf unbestimmte Zeit. Hier in Punta Cana wusste niemand, wann wieder Flüge nach Europa gehen würden. Der ganze Kontinent schien unter einer festen Eisdecke verschwunden zu sein. Statt hier auf dem Gepäckband zu liegen, könnte er auch wieder zurück ins Hotel gehen und sich mit Rum so lange volllaufen lassen, bis er anfangen würde, nackt am Swimmingpool Weihnachtslieder zu singen. Statt der GEMA würde ihm aber die Sonne zu schaffen machen. Enden würde das mit einem fetten Sonnenbrand auf dem Rücken und einem langen Flug nach Deutschland. Mit einem tiefen Seufzer stecke er Nils wieder zurück in die Tasche, richtet sich auf und ging zum Schalter. Noch bevor er seine Frage gestellt hatte, bekam er ein brünettes Kopfschütteln als Antwort. Immer noch kein Flug. Weiter warten, während Maren Nils mit den Resten vom Weihnachtsessen fütterte, die dumme Gans.

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