Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wie nennt man es, wenn der Sieger die Verlierer zur Versöhnung aufruft und auch noch fordert, dass die Unterlegenen doch bitte den erstem Schritt tun mögen? Nicht nur, weil ich in die Sache mehr oder weniger persönlich involviert bin, fehlen mir die Worte.

Worum geht es? Um Äußerungen im Rahmen der Einweihung der neuen Synagoge in Bielefeld auf dem Gelände der ehemaligen Paul-Gerhardt-Kirche. Nicht der Satz vom ehemaligen Landesrabiner Brandt, man möge doch zu einem konstruktiven und zivilisierten Miteinander zurückkehren. Entscheidend war heute morgen der Kommentar von Thomas Güntter in der Neuen Westfälischen:

Die Umwidmung der Paul-Gerhardt-Kirche war nicht unumstritten. Trotzdem ist es an der Zeit, mit dem Lauf der Geschichte Frieden zu schließen.

Nicht unumstritten ist eine maßlose Untertreibung. Es gab erheblichem Widerstand – auch aus der jüdischen Gemeinde, deren neuer Vorstand gegen den Neubau war, aber vom Irith Mendelsohn, der ehemaligen Vorsitzenden, an der Wahrnehmung ihres demokrataisch legitimiertem Amtes gehindert wurde.

Mit dem Lauf der Geschichte Frieden schließen – hört sich sehr eigenartig an, wenn man daran denkt, dass die Ereignisse nicht mal ein halbes Jahr zurück liegen. Kommen wir aber zum Höhepunkt des Kommentars:

Von den ehemaligen Besetzern war gestern niemand zu sehen. Auch sie sollten sich das neue Gebäude anschauen.

Brilliant, Herr Güntter! Haben sie ihren eigenen Artikel nicht gelesen? „Am Eingang zum Gottesdienst wurden die Gäste von einen privaten Wachdienst genau kontrolliert.” Geladene Gäste, sollte noch hinzugefügt werden. Von der ehemaligen Paul-Gerhardt-Gemeinde war wohl niemand eingeladen. Auch wir als direkte Nachbarn nicht. Und ja, angeschaut haben wir uns das Gebäude. Ließ sich wohl auch nicht vermeiden, wenn es direkt vor der Haustür gebaut wurde und der Baulärm auch noch innerhalb der gesetzlichen Ruhezeiten zu hören war.

Ebenso der Teil der Jüdischen Gemeinde, der mit dem neuen Gotteshaus nicht einverstanden war.

Da gibt es immer noch unüberbrückbar Differenzen, die solange Frau Mendelson im Amt bleibt, obwohl sie abgewählt wurde, noch weiter bestehen. Da wird es trotz schöner Worte und hohler Phrasen kein konstruktives Miteinander geben.

Einen hohen Zaun gibt es nicht nur um die Synagoge, die, das sei hier auch mal erwähnt, sehr schön geworden ist, sondern auch in den Köpfen. Diesen zu überschreiten, hatten gestern viele versucht. Aber sie worden am Tor vom privaten Sicherheitsdienst abgewiesen.

Eine Antwort

  1. Klingt mir eher nach Entfremdung als nach einem friedlichen Miteinander. Auf diese Weise erreicht man genau das Gegenteil. Ich dachte immer, dass Kirchen und Synagogen Orte der Begegnung wären. Schade, Chance verpasst.

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