Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ein kleiner Blick in die Zukunft: Nach dem im Jahre 2008 der Startschuß für die Privatisierung der Bahn gefallen war, gingen nach und nach immer mehr Anteile des Konzerns in Privatbesitz über. Die ursprüngliche Begrenzung auf 24,9 Prozent der Aktien wurde bereits 2009 überschritten. Ein Jahr später hatte der Staat nur noch eine Speerminorität, zwei Jahre darauf war der gesamte Konzern vollständig in der Hand privater Investoren.

Die Schließung von unwirtschaftlichen Strecken war danach erst der Anfang für eine komplette Umstrukturierung des ehemaligen Staatsbetriebes. Um auf den lukrativen Hauptstrecken die Pünktlichkeit zu erhöhen, wurden die Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Wobei dies eigentlich eher eine Beteiligung im Misserfolg war, denn jedem Lokführer und Zugbegeleiter wurde pro Minute Verspätung des Zuges, auf dem er seinen Dienst versah, der Lohn am Monatsende um ein Prozent gekürzt.

Zwar konnte durch diese Maßnahme die Pünktlichkeit verbessert werden, jedoch blieben vieles dabei im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke. Insbesondere an der Sicherheit der Züge wurde gesparrt. Durch die fehlende staatliche Kontrolle fanden auch ehemals als wichtig betrachtet Überprüfungen der einem starken Verschleiß unterliegenden Schnellzügen nur noch sporadisch statt. Auf Grund des Zeitdrucks gaben Mitarbeiter des Bereiches Technischer Service Züge wieder für den Verkehr frei, obwohl diese einer längeren und vor allem sorgfältigeren Überprüfung bedurft hätten.

Genau zehn Jahre nach der Privatisierung führte die Vernachlässigung der Sicherheitsstandards zu einem folgenschweren Zugunglück eines Schnellzuges auf der Strecke von München nach Hamburg. Dem schwersten Unglück in der Geschichte der Bahn fielen 101 Menschen zum Opfer, 105 weitere Reisende wurden zum Teil schwer verletzt. Die Eigentümer der Bahn wiesen jegliche Verantwortung für das Unglück von sich. Die Überlebenden und Angehörigen der Opfer wurden in sich über Monate hinwegziehenden Prozessen mürbe gemacht, bis sie sich mit lächerlichen Abfindungen zufrieden gaben. Eine Verurteilung der Verantwortlichen fand nicht statt.

Dieser skandalöse Vorgang führte jedoch bei der nächsten Bundestagswahl zu einem erdrutschartigen Sieg der ProBahn-Partei (Nachfolgerin der Linkspartei), die sich vehement für eine erneute Verstaatlichung der Bahn einsetzte. Zwei Monate später beschloß der Bundestag ein neues Gesetz, welche eine progressive Besteuerung der Bahn zum Ziel hatte. Aus diesen Sondereinnahmen wurden sukzessiv Anteile der Bahn wieder zurück gekauft.

Hört sich das jetzt alles wirklich wie eine unrealistische Zukunftsvision an? Nicht wirklich, denn fast alles basiert auf wahren Gegebenheiten. Die progressive Besteuerung von Privatbahnen war im Jahr 1853 eines der Mittel, um aus den vielen privaten Bahnen eine staatliche Eisenbahn zu schaffen (siehe bei Wikipedia). Eine Bestrafung von Mitarbeitern für Unpünktlichkeit wird derzeit zum Beispiel in Japan praktiziert. Das erwähnte Zugunglück findet nicht in 10 Jahre statt, sondern ereignete sich vor genau 10 Jahren und wurde als ICE-Katastrophe von Eschede bekannt. Ursache dafür war allerdings nicht die Privatisierung.

Die mangelhafte Kontrolle der Radreifen, die technisch eigentlich aus dem Straßenbahnverkehr stammten und keinesfalls für Hochgeschwindigkeitszüge ausgelegt waren, ist jedoch eine traurige Tatsache – ebenso wie der beschämende Umgang der Bahn mit den Opfern und Angehörigen.

Die am vergangene Freitag vom Bundestag beschlossen Privatisierung der Bahn wird mit Sicherheit weder zum Besten der Bahn och deren Kunden sein. Sie wird kurzfristig die Kassen des Staates etwas auffüllen, aber der Kater kommt ja bekanntlich erst am nächsten Morgen. In diesem Fall wird das Geld recht schnell verbraucht sein. Das das Geschäft mit der Schiene möglicherweise nicht rentabel sein kann, zeigen Länder wie England, in denen es nach der Privatisierung zu einer Verschlechterung der Sicherheit gekommen ist.

Das Unglück von Esched und die Privatisierung der Bahn – darf man dies überhaupt miteinander vermengen? Die Frage ist mit schwer zu beantworten. Fest steht aber, dass die Bahn bereits vor der Privatisierung ein Unternehmen ist, welches sich anscheinend nur schwer kontrollieren lässt. Es steht daher die Befürchtung im Raum, das sich dies nach „erfolgreicher” Privatisierung nicht unbedingt verbessern wird. Das Ganze ist ein Experiment, für dessen Kosten in jedem Fall die Allgemeinheit aufkommen wird.

Eine Antwort

  1. Ich lasse mich mal überraschen wohin uns dieses kurzsichtige Experiment führen wird. Zum Vorteil für die Kunden ist es ganz sicher nicht. Die dürfen es finanzieren und anschließend, wenn der Bahn das Wasser bis zum Hals steht, durch Missmanagement versteht sich, teuer wieder zurück kaufen.

    So wird wieder einmal der Steuerzahler nach Strich und Faden verarscht. Wie gut, dass ich an der Quelle des angekündigten Desasters sitze. Somit wird mir also nichts davon entgehen.

    Den Lokführern kann man ruhig mehr abziehen, die sind sowieso an allem Schuld.

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