Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Legende nach gab es vor sehr, sehr langer Zeit in Europa in gigantische Sturmflut, die von der Nordsee ausging. Von den Menschen, die die Katastrophe überlebten, wurden einige sogar bis in die Alpen gespült. Nur die stärksten konnten sich im Norden festkrallen. So gesehen würde das so einiges in Bezug auf unsere europäischen Bergvölker erklären, auch wenn das freilich wissenschaftlich bisher noch nicht bewiesen wurde.

Fakt jedenfalls ist, dass in einem dieser Alpenländern heute ein besonderer Tag begangen wird. Die Schweiz, mitten in Europa und doch nicht dazugehörig, hat heute ihren Nationalfeiertag. Streng genommen müsste das Land Schweiß heißen, denn damals, auf dem Rütli wurde von den so genannten Eidgenossen drei Kantonen zusammenschweißt zu einem Bund.

Wie dem auch sei, der Schweiz verdanken wir nicht nur den Wilhelm Tell von Schiller, sondern auch gute Schokolade, luxuriöse Skigebiete, präzise Uhren und ein gerade bei Büronomaden beliebtes Taschenmesser. Auf der Schattenseite stehen dem unter anderem Nummernkonten von Diktatoren und anderen unrühmlichen Gestalten gegenüber, die dort ihr Blutgeld verwahren. Weniger bekannt sein dürfte eine Anregung aus der Schweiz, die den Schergen der Nationalsozialisten in Deutschland bei ihrem systematischen Massenmord unterstützte. Das in den Pass gestempelte J als Merkmal zur Identifizierung von Menschen mit jüdischem Glauben stammt von einem Beamten aus der Schweiz. Damit sollte es an der Grenze zur Alpenrepublik möglich sein, Flüchtlinge zu erkennen und umgehend wieder nach Deutschland abzuschieben.

Während in Deutschland gerne auf die Volksabstimmung in der Schweiz als wichtiges Element der Basisdemokratie verwiesen wird, fällt oftmals dabei unter den Tisch, dass Frauen dort erst seit 1971 abstimmen und wählen dürfen. Nicht nur in Bezug auf die vier Amtssprachen (deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch) ist also die Schweiz ein Land voller Eigenheiten und Widersprüche.

Aber wir wollen an so einem Tag wie heute keine schlechte Stimmung machen – zumal solche subversiven Akte am Selbstbewusstsein der Schweiz abperlen würden. Genießen wir lieber also zur Feier des Tages ein Stück Toblerone, eine Schokolade, die in kleiner Form die Schweiz zusammenfasst: spitze Berge, dunkel-bittere Schokolade und ein Versprechen von süßem Honig.

6 Kommentare

  1. Einspruch! Das „J“ im Pass markierte nicht, dass die Person jüdischen Glaubens war, sondern dass sie Jude war. Das ist kein Schimpfwort, sondern eine Volkszugehörigkeit (die über Nationalgrenzen hinausgeht). Auch ein zum Christentum konvertierter Jude galt als Jude.

  2. Letzteres trifft zu, aber ich weigere mich einfach, die Rassenideologie der Nationalsozialisten hinzunehmen. Volkszugehörigkeit ist meiner Meinung nach eine sehr wage Definition.

  3. Tja, bin ich wohl auch irgendwie angesprochen.

    Ist fair. Nur nochwas ist faktisch vollkommen falsch, da bist Du uraltem Gospel aufgesessen:

    Nummernkonten gibt es in der Schweiz schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr. Hier ist der hinterste und letzte ‚Stutz‘ ad personam zuordbar.

    Die ollen James-Bond-Konten, die sagenumwobenen, gibt’s wenn überhaupt nur noch in Oesterreich, das bekanntlich in der EU ist. Der Ball ist somit wieder in Deiner Platzhälfte, Thomas… ;-)

    Gruss aus der Versicherungs- und Bankenkapitale,

    Ray

    PS: Ach ja! Und wegen der Sturmflut, damals, segeln wir Schweizer heute so gut? :-)

  4. @ Ray: Nummernkonti soll es nicht einfach keine mehr geben, sondern soll es nach Bankenaussage NIE gegeben haben. Vielleicht ist der Credit Suisse James Bond aber einfach zu wenig attraktiv. Es gibt aber genügend Wege, seine schmutzigen Gelder in der Schweiz zu parken. Die Berater am Paradeplatz helfen da gerne weiter… Blut- und Schwarzgeld gibt es weierhin in Hülle und Fülle in „unseren“ Schweiz.

    Mehr Kopfzerbrechen bereitet mir, dass die Toblerone mittlerweile amerikanisch ist :-)

  5. Geld in der Schweiz zu lagern, ist keine besonders gute Idee. Die Rendite von 2,5 % ist nicht mehr als ein Inflationsschutz und spätestens beim dritten Besuch wird man an der Grenze auf dem Weg zur Bank seines Vertrauens mit Namen begrüßt – schließlich wird jede schweizer Bank videoüberwacht. Das Bankgeheimnis ist eh für jeden Deutschen gestorben, der einen Freistellungsauftrag gestellt hat. Mit dem Unterschreiben des passenden Zettels darf im Inland wie im Ausland im Verdachtsfall der Steuerhinterziehung bei den Banken nachgeforscht werden.

  6. @matthias

    Stimmt so. Kommt dazu, dass die Geldinstitute hier in der Schweiz spätestens seit der Einführung des GWG (Geldwäschereigesetz) von sich aus extrem Vorsichtig geworden sind. Im Rummel um Fagan & Co. sind wir Tausenden von Konten mit Bagatellbeträgen drauf nachgegangen. Wenn’s menschenmöglich ist, wissen wir woher das Geld kommt – und geben dazu bei juristisch klarer Lage auch problemlos Auskunft – wie Du richtigerweise bemerkt hast.

    Selber bin ich bei der grössten Lebensversicherungsgesellschaft hier in leitender Position tätig und kann Dir (Euch) versichern, das ich da problemlos für andere Institute (und seien sie Konkurrenten)das Gleiche sagen kann.

    Bescheissen ist hier nicht nicht.

    Vergessen sollte man auch den mediengefärbten Quatsch mit den Millionen illegalen Gelds, auf das hier die Finanzinstitute so ‚geil‘ seien. Die grösseren Schweizer Finanzer haben Bilanzssummen, gegenüber denen die Zahlen der durchschnittlichen Bananenrepublik lächerlich aussehen.

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