Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Für das kommende Jahr hat sich mein Ortsverein unter anderem das Thema Bildungspolitik auf die Fahne geschrieben. Die SPD und Bildungspolitik? Da war doch was, oder? Oft wird die sozialdemokratische Bildungspolitik reduziert auf das Thema Gesamtschule. Für viele Wählerinnen und Wähler dank verpfuschter politische Vermittlung und katastrophalen Umsetzungen in der Praxis ein rotes Tuch. Mit der Hervorhebung der Gesamtschule als Allheilmittel für sämtliche gesellschaftlichen Probleme lässt sich keine Wahl gewinnen – schlimmer noch, diese einseitige Sichtweise verbaut die Chance auf eine radikalen, dringen nötigen „Neustart” des deutschen Bildungssystems.

Als Sammlung von Ideen, Konzepten und Meinungen werde ich in loser Folge eine Reihe von Artikeln zur Bildungspolitik in den nächsten Wochen für diesen Blog schreiben. Für mich wird das eine gute Vorbereitung auf die Diskussionen in der PSD im nächsten Jahr sein. Darüber hinaus mag es durchaus die eine oder den anderen geben, der auch ein paar Steine aus diesem Steinbruch für sich findet, die er gebrachen kann – und sei es als Stein des Anstoßes. Eigene Meinungen und Kommentaren zu Thema dürfen gerne zu den üblichen Voraussetzungen hinterlassen werden.

Bildung und Bahn fahren, dass sind zwei Themen, bei denen fast jeder Deutsche mitreden kann. Jeder ist zu Schule gegangen, und die meisten dürften wohl auch das eine oder andere Erlebnis mit der Bahn gehabt haben. Bei beiden Themen ist es jedoch auch so, dass sich weder persönliche Erfahrungen verallgemeinern lassen noch durch die Summe einzelner Ansichten sich eine profundes Konzept ableiten ließe.

Das dies in beiden Fällen nötig wäre, zeigt der desolate Zustand des deutschen Schienennetzes genauso wie PISA-Studien, Amokläufe und andere Gewalttaten, die es öffentlichwirksam in die Medien schaffen. Dabei ist das immer nur die Spitze des Eisberges.

Während bei der Bahn eine Zugverspätung für die meisten eine vorübergehende Begleiterscheinung des Reisens ist (Pendler ausgenommen, aber die sind eine Gruppe für sich, mit teils deutlich höhere Frustrationstoleranz), kann das von Bildung nicht behauptet werden. Die Defizite, die eine verpfuschte Schuldbildung bei Menschen hinterlässt, sind nur unter großen Anstrengung wieder auszugleichen. Meist ist es bequemer und vor allem billiger, diese Menschen dann an den unteren Rand der Gesellschaft abzuschieben.

Wenn es eh nicht genügend Arbeit für alle gibt, warum dann lange mit Versagern aufhalten? Sollte jemals wieder erhöhter Bedarf bestehen, lassen sich die Bildungsreserven zu Not noch aktivieren – nur zur Not natürlich, denn eine vorhandene Unterschicht hat den Vorteil, dass sich andere davon abgrenzen und als Aufsteiger fühlen können.

Zurück aber zur Bildungspolitik. Es würde den Realitäten widersprechen zu sagen, dass sich das deutsche Bildungssystem reformieren lässt. Schauen wir den Tatsachen ins Auge und machen uns nichts vor: es ist bis in den Kern hinein verrottet und kaum mehr den gesellschaftlichen Anforderungen gewachsen. Unflexibel, Spielball von zahlreichen Interessengruppen, Überforderung des Lehrpersonals durch die Auslagerung des elterlichen Erziehungsauftrages, hoffnungslose Unterfinanzierung – nur eine kleine Auswahl an Stichwörtern, um das deutsche Bildungssystem zu charakterisieren.

Bei so einer riesigen Baustelle stellt sich schnell die Frage, wo anzufangen sei. Wie bei jedem Hausbau, so sollte auch bei einer zukunftsfähigen „Schule des Lernens” beim Fundament angefangen werden: der Grundschule. Wenn diese das Fundament für sämtliche weiteren Lernprozesse bildet, muss aber davor noch die Betrachtung des Baugrundes stehen. Auf welchem Boden steht das Fundament? Und vor allem: Ist der Boden überall in Deutschland gleich? Wer Kinder im schulpflichtigen Alter hat, wird ganz hautnah erfahren können, dass dem nicht so ist.

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