Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Schon lange gingen Gerüchte durch die Vorzimmer und Vorstandsetagen: es gibt in Deutschland eine neue Unterschicht. Auch wenn die Statistik eine andere Sprache spricht, so sind deutsche Manager nach wie vor davon überzeugt, zu den Ärmsten der Armen zu gehören.
Immer wieder jammern sie den Aktionären vor, wie wenig sie bekomme – nicht verdienen, denn das wäre was anderes.

Interessanterweise brachte jetzt eine Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ans Licht, dass die Vergütung deutscher Führungskräfte im europäischen Vergleich gar nicht mal so schlecht ist. Genauer gesagt zählen die Manager in Deutschland zu den Top-Verdienern. Anderorts in der EU sind die Gehälter und Bezüge deutlich geringer.

Wie so oft, wird aber nur zu gerne über den Teich geschielt und der Versuch unternommen, amerikanische Verhältnisse zu schaffen, denn dort muss sich die Führungselite nicht mit so lächerlichen Almosen wie hierzulande abgeben.

In anderer Hinsicht jedenfalls haben Wirtschaft und Politik es Hand in Hand geschafft, ein Stück USA auch in Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen. Genau wie im Herzland des ungebremsten Kapitalismus gibt es auch hier eine bedenkliche Endwicklung in der Bevölkerung. Weite Teile der ehemaligen, so genannten Mittelschicht, drohen abzurutschen und den Weg nach unten anzutreten. Unten, dort wo schon viel zu viele Menschen angekommen sind, wird es zunehmend Kälter. Nicht nur, weil Leistungen gekürzt werden, Kinder verwahrlosen, sondern auch, weil die soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung dazu beiträgt, den Menschen eindeutig klar zu machen, das sie nicht mehr dazu gehören.

Im Mittelalter wurde die Pestkranken aus der Stadt vertrieben, sie standen außerhalb der Gesellschaft. Genau passiert auch zunehmend mit den Leistungsschwachen, Bildungsschwachen und Gestrauchelten. Statt das ihnen wieder aufgeholfen wird, werden sie als Arbeitsunwillige stigmatisiert. Dabei müsste eigentlich erkannt werden, dass weite Teile der Hartz-IV-Empfänger einfach nur resigniert hat, da sie für sich keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt sehen. Die Angst um die Zukunft frisst die Seele auf.

Statt aber den Probleme ins Auge zu schauen, wird um Begrifflichkeiten gestritten. Nicht Unterschicht, sondern Prekariat soll es heißen, um die Betroffenen nicht zu stigmatisieren – ein Begriff, den viele vielleicht nicht verstehen, was aber ironischer Weise ihre Benachteiligung noch deutlicher hervortreten lässt.

Zurück aber zu den Managern, die die plagen wirkliche Sorgen. Nicht was und ob es am nächsten Tag noch was zu essen gibt, ob Eigentum gepfändet wird und ob die Kinder mit auf Klassenfahrt gehen können oder nicht. Das sind alles nur Peanuts. Viel wichtiger ist es doch, ob sich durch Entlassung von ein paar Tausend Mitarbeitern nicht der Aktienkurs noch um ein Prozent erhöhen lässt, damit der eigene Bonus am Ende des Jahres noch etwas höher ausfällt. Schließlich gilt es, wie gesagt, der Vorsprung, den amerikanische Führungskräfte haben, aufzuholen – um jeden Preis.

7 Kommentare

  1. „Viel wichtiger ist es doch, ob sich durch Entlassung von ein paar Tausend Mitarbeitern nicht der Aktienkurs noch um ein Prozent erhöhen lässt, damit der eigene Bonus am Ende des Jahres noch etwas höher ausfällt.“ Traurig aber wahr… Aber leider Gottes wird diese Mentalität nicht erst seit den letzten Monaten an den Tag gelegt. Dieses „in die eigene Tasche wirtschaften“ zieht sich doch schon über Jahre und wird immer Bestand haben.

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  3. sum1: Tja, das Problem dabei ist aber, da die wirklich Benachteiligten den Begriff nicht verstehen. So ähnlich wie es in einigen formen des Komunismus immer hieß, die Arbeiter müssten notfalls zu ihrem Glück gezwungen werden, da sie momentan einfach zu blöd sind, die Theorie zu begreifen.

    Bitte nicht falsch verstehen, aber ich habe immer wieder Bachschmerzen, wenn Protestbewegungen von oben herab durchgezogen werden, statt aus der Mitte der tatsächlich Betroffenen zu kommen.

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